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Weiss, V: Bevölkerung hat nicht nur eine Quantität, sondern auch eine Qualität. Ein kritischer Beitrag zur politischen Wertung der PISA-Studie. Erschienen in: Wege aus der Krise. Veröffentlichungen der Gesellschaft für Freie Publizistik 18 (2002) 31-59

  • Der folgende Text aus: Weiss, Volkmar: Die IQ-Falle: Intelligenz, Sozialstruktur und Politik. Graz: Leopold Stocker 2000, S. 202-207


  • Die Anhäufung von sozialem Zündstoff

    Jaromir Konecny schreibt in „Der Zeit“ vom 9.2.1996: „Einige Zeit nach der samtenen Revolution besuchte ich mit einem deutschen Freund Prag. Wir spazierten nachts über den Wenzelsplatz, und er wunderte sich über die Mengen an dunkelhäutigen Schwarzmarkthändlern und Zuhältern dort: Ob die Tschechen damit keine Probleme hätten? Ich lobhudelte noch über die angeborene Toleranz der tschechischen Seele, als plötzlich Scharen aufgeschreckter Zigeuner in die Nebenstraße flüchteten, Kinder, Männer, Frauen, viele mit Babys in den Armen. ... Plötzlich hallte uns eine tschechische Parole entgegen: ‘Zigeuner raus’, und dann zog eine Horde tschechischer Skinheads Richtung Museum. An die hundert brüllende Idioten im Zentrum von Prag. Die Polizei ließ sich nicht blicken.  ... Als in Rostock die Asylantenheime brannten, war ich zufällig wieder in der Tschechischen Republik und hörte in der Kneipe vor dem Fernsehen Kommentare wie: So was wäre bei uns nie möglich. Seitdem sind dreißig Zigeuner von tschechischen Skinheads getötet worden. ... Ich blättere durch die tschechische Presse: Statistische Untersuchungen, die die sehr hohe Kriminalität der Zigeuner bezeugen, Beschwerden der Bürger über Zigeuner in der Nachbarschaft und Berichte über kriminelle Aktivitäten der Zigeuner sind an der Tagesordnung. Im vorigen August ging durch die Presse ein Bericht mit der Überschrift: ‘Für Roma bruchsichere Häuser’. Der Artikel handelte von den Plänen des Vorsitzenden der slowakischen Regierungspartei (Slowakische Nationale Partei) Jan Slota, die Zigeuner in selbständigen Dörfern zu konzentrieren. Ich vernahm in den tschechischen Medien keine einzige Stimme, die diese geplanten Lager in der Slowakei kritisiert hätte.“

    Dramatische Meldungen kommen auch aus Bulgarien. So berichtete z.B. die „Frankfurter Allgemeine“ am 26.7.1997 (Trojanow 1997) aus der Stadt Lukowit: „Der Bürgermeister ... schildert die Probleme, die seiner Ansicht nach vor allem in der demographischen Entwicklung verankert sind. Die vierzig Prozent Roma nehmen sprunghaft zu, die Bulgaren werden immer weniger. ... Neugeborene gibt es wenige. ... Dieses Bild sei kennzeichnend: Die Frühgeborenen und die Untergewichtigen werden zahlreicher, ein normales bulgarisches Baby dagegen sei eine Rarität. Nur die Zigeuner vermehren sich wie die Karnickel ... . Die Bulgaren leben in Elend, doch die Lebensverhältnisse bei den Roma sind eine Katastrophe. Sie können nur betteln oder stehlen, behaupten die Bulgaren. Wir haben immer nur die schmutzigste und gefährlichste Arbeit bekommen, entgegnen die Roma. Die Bulgaren: Sie lügen und verstehen kein einziges Wort. Die Roma: Sie verteilen die Sozialhilfen an ihre Bekannten, sie erklären uns nicht, wer etwas bekommt und wieso. Die Fronten sind unversöhnlich. Die Roma leben in einem eigenen Viertel, in einem klassischen Ghetto am Rande der Stadt.“

    In Frankreich leben rund 400 000 Zigeuner. Die Hälfte von ihnen ist nicht seßhaft. „Ihr Ansehen kann nicht schlechter sein, als es schon ist“ - unter dieser Schlagzeile macht „Le Monde“ am 11.8.1998 einen Bericht (Sasportas 1998) über sie auf. „Die Zigeuner sind wie die Pferde, um glücklich sein zu können müssen sie frei sein. ... Die Die Schule ist nicht für uns gemacht.“

    Anläßlich der Ereignisse in Rostock-Lichtenhagen berichtet „Der Spiegel“ (vom 7.9.1992): „Keine andere Zuwanderergruppe provoziert zugleich soviel Widerwillen in der Bevölkerung, von offener Ablehnung bis zum blanken Haß wie die ‘Tigan’, wie sie in Teilen Rumäniens heißen. Ausgerechnet dieses nonkonformistische Nomadenvolk, die wohl am schwersten integrierbare aller Zuwanderergruppen, stellt mittlerweile das größte Kontigent in der ohnehin angefeindeten Notgemeinschaft der zu Tausenden anreisenden Asylbewerber. ... Das teilweise noch archaisch anmutende Verhalten der Einwanderer kollidiert allerorten mit dem Normenkodex deutscher Normalbürger. ‘Die haben hingemacht, wo sie gingen und standen’, empörten sich Einwohner der Rostocker Trabantensiedlung Lichtenhagen - wohl nichts hat die ausländerfeindlichen Krawalle der vorletzten Woche in der einst roten Ostseemetropole stärker aufgestachelt als die Besudelung deutschen Saubersinns und Ehrgefühls durch die öffentliche Fäkalpraxis der Fremdländischen. ... Als die Zigeuner kamen und in Rostock-Lichtenhagen ‘auf der Wiese regelrechte Claim abgesteckt, ihr Nischen mit Plastetüten abgedeckt und bisweilen ihre Frauen und Kinder gezüchtigt’ hätten, so beobachtete Jörg Rauhut vom Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns, sei den Leuten die Galle hochgekommen. ... In der Spar-Filiale Güstrower Straße in Rostock-Lichtenhagen hatte die Diebstahlsquote das 10- bis 15fache von anderen Filialen betragen.“

    Am 20. 4. 1995 mußte die „Leipziger Volkszeitung“, dabei wieder der Sprachregelung folgend, daß es keine Zigeuner gibt, unter der Überschrift „Besonders Rumänen organisieren regelrechte Raubzüge“ berichten: „Immer mehr - vor allem rumänische - Banden gehen mit bisher ungewohnter Brutalität vor und überfallen Banken, Sparkassen, Postämter, brechen in Einfamilienhäuser, Büros und Wohnungen ein. Allein in Leipzig sind derzeit 54 rumänische Straftäter in Untersuchungshaft - die Hälfte unter 21 Jahre alt. Die Probleme mit rumänischen Banden gibt es bundesweit. ... Die zunehmende Risiko- und Gewaltbereitschaft bereitet der Polizei Sorgen. So werden Polizeikontrollen durchbrochen, Wach- und Sicherheitskräfte angegriffen, Zeugen bedroht und Schußwaffen eingesetzt. Die überwiegende Mehrheit der Täter halten sich illegal in Deutschland auf. 90% der Festgenommen behaupten, erst am Vortag durch einen Grenzfluß nach Deutschland geschwommen zu sein und dabei ihren Ausweis verloren zu haben.“

    Es ist sehr wenig bekannt, daß dieses Problem der Existenz einer zahlenmäßig mehr oder weniger großen Kaste - denn die Abgrenzung der Zigeuner von der übrigen Gesellschaft durch sie selbst (Mischehen sind auch aus ihrer Sicht hochproblematisch) und umgekehrt weist Züge einer Kaste auf - nicht nur für Europa ein Problem ist, sondern in abgewandelter Form sich bei allen großen Kulturvölkern wiederholt. Wer weiß schon, daß z.B. in Japan, wo für uns die Leute erst einmal alle gleich aussehen, eine kastenähnliche Unterschicht - die Burakim - existiert, die aus Tätigkeitsgruppen entstanden ist, die sich mit „unreinen Beschäftigungen“ (vgl. Metzke 1993 und 1998) abgeben. 1871 wurden diese von der übrigen Gesellschaft Ausgeschlossenen aus ihrem rechtlosen Status befreit, ohne daß sich damit an ihrer Situation viel änderte. Ihre Zahl betrug damals 383 000. Innerhalb von 60 Jahren vervierfachte sich ihre Zahl, während die Zahl der Japaner sich nur verdoppelte.

    Wenn auch für soziale Kasten, wie für die Neger in den USA, die Zigeuner in  Europa und für die Burakim in Japan ein mittlerer IQ von etwa 85 typisch zu sein scheint, so gibt es doch im Sozialverhalten sehr große Unterschiede. Sind bei den Negern der USA Mütter mit unehelichen Kindern und Väter, die sich aus dem Staube machen häufig, so haben die Zigeuner hingegen ein eindrucksvolles, noch sehr patriarchalisch geprägtes Familienleben. Die Männer der Zigeuner sorgen für ihre kopfstarken Familien.

    Es hat in den letzten Jahrzehnten nicht an Idealismus gefehlt, die Lage der Zigeuner dauerhaft zu verbessern, und es wird auch weiterhin darin nicht fehlen. 1994 z.B. wurde Karin Reemtsma, Nichte von Jan Philipp Reemtsma, Mitarbeiterin der Internationalen Romani Union, die sich für die Rechte der Zigeuner einsetzt. Selbst innerhalb dieser Bürgerrechtsbewegung ist umstritten, ob es so etwas wie eine „zigeunerische Lebensweise“ gibt. Der prominenteste Vertreter dieser Sicht ist der Vorsitzender der Union Rajko Djuric (der früher einmal Chefredakteur der kommunistischen Zeitschrift „Borba“ in Jugoslawien gewesen war), während Karin Reemtsma eine derartige Sichtweise immer als eine Projektion von außen, also eine der Nicht-Zigeuner, begriff und ablehnte. Sie hat sich ihr Leben lang für die Anerkennung der Zigeuner als nationale Minderheit eingesetzt, und als der Krieg in Jugoslawien tobte, für die Aufnahmen bosnischer Flüchtlinge in Europa. Im Juni 1997 wurde Karin Reemtsma von ihrem langjährigen Lebensgefährten und Vater ihrer zwei kleinen Kinder, einem Zigeuner aus Serbien, erstochen. Rajko Djuric (1997) schreibt in seinem Nachruf: „Der Tragödie der Karin Reemtsma ging ein langjähriges Drama voran. In diesem Drama kreuzten sich persönliche, familiäre, psychosoziale historische und politische Wege und Momente. Ihr Kampf und ihr Tod könnten Motiv für einen politisch-soziologischen Roman sein. ... Karin Reemtsma hat entdeckt, wie schwer und wie tragisch die Wahrheit über die Sinti und Roma ist, und sie hat verstanden, wie schwer und tragisch diese Wahrheit für die Roma und Sinti ist. Die Feinde dieser Tatsachen wurden so zu ihren Feinden.“

    Das Beispiel "Zigeuner" wurde ausführlicher belegt, da es zeigt, wie durch Steuerung oder Nichtsteuerung von Einwanderung eine furchtbare Mischlage von sozialem und ethnischem Konflikt geschaffen oder verhindert werden kann. Nichts wäre auf die Dauer verhängnisvoller für den sozialen Frieden in Deutschland, als wenn sich bei einer breiten Bevölkerung dunkles Haar und dunkle Augen mit Elend und krimineller Gefahr assoziert.

    Der Vollständigkeit wegen soll erwähnt werden, daß es neben den echten Zigeunern auch Gemeinschaften sogenannter Landfahrer gibt, die in ihrem Sozialverhalten und in ihrer Stellung in der Sozialstruktur den Zigeunern ähnlich sind. Keuschnig (1973) z.B. untersuchte ein Gebiet der stärksten Besitzzersplitterung im Realteilungsgebiet in Tirol  die Gemeinden Karres und Karrösten, die Winterquartiere und Stützpunkte der Tiroler Landfahrer, der Karrner, sind, die fast Dreiviertel des Jahres mit ihrer gesamten Familien auf einem zweirädrigen Karren als Hausierer und Händler ein Nomadenleben führen, mit den entsprechenden sozialen Begleiterscheinungen. Keuschnig bemerkt dazu u.a.: „Die Trunksucht ist bei Karrnern sehr verbreitet, was nicht zuletzt Ausdruck der mangelnden Hemmung ihres primitiven Charakters und Kompensation ihres Außenseiterdaseins ist. Hervorzuheben ist hier, daß die Frauen die Rauf- und Trinkgewohnheiten der Männer angenommen haben, und auch ihre sonstige Lebensweise sich durch nichts unterscheidet. Die Aufgabe der Kindererziehung wird vollkommen mißachtet, obwohl sie sehr an den Kindern hängen. Das abnorme Familienleben läßt die Kinder bereits von klein auf verwahrlost erscheinen. ... Der Schulbesuch ist äußerst unregelmäßig, einerseits durch das ständige Wandern, andererseits wird auch von Seiten der Eltern wenig Wert auf eine schulische Ausbildung gelegt. Viel wichtiger erscheint es ihnen, daß die Kinder Kniffe und Schliche erlernen .... . Üblicherweise heiraten Karrner untereinander und führen ein ähnliches Leben wie ihre Eltern und Großeltern. Sollte jedoch ein Karrner eine Nichtkarrnerin heiraten, wird er von der Gemeinschaft ausgeschlossen.“


    Die Zigeuner als erbliche soziale Unterschicht in Europa