Weiss, V: Bevölkerung hat nicht nur eine Quantität, sondern auch eine Qualität. Ein kritischer Beitrag zur politischen Wertung der PISA-Studie. Erschienen in: Wege aus der Krise. Veröffentlichungen der Gesellschaft für Freie Publizistik 18 (2002) 31-59
Der folgende Text aus: Weiss, Volkmar: Die IQ-Falle: Intelligenz, Sozialstruktur und Politik. Graz: Leopold Stocker 2000, S. 195-202
Die Zigeuner - eine neue erbliche Unterschicht?
Ein Problemfall, wenn auch ganz anderer Art, sind die Zigeuner. Auch sie sind seit
Jahrhunderten sich wiederholenden Verfolgungen ausgesetzt. Einzelne Autoren
bestreiten gar, daß es sich um ein eigenes Volk handelt. Denn nach J. J. Kemeny
(zitiert in Szabo 1991, S. 138) ist die "zigeunerische Lebensform die Subkultur der untersten Gesellschaftsschicht". In der
Tschechischen Republik, wo sich die Zigeuner von rund 100 000 um 1945 auf jetzt
rund 600 000 natürlich vermehrten (Srb 1987), gibt es bei ihnen ernste Probleme
(Kalibova und Pavlik 1988). In den Grenzkreisen zu Sachsen, wo früher
Sudetendeutsche wohnten, stellen die Zigeuner heute mehr als 4% der
Bevölkerung. 1980 kamen auf eine Zigeunerfrau 5,9 Kinder. 27,6% der
Zigeunerkinder besuchten Hilfsschulen (im Vergleich dazu 2,6% der Tschechen und
Slowaken), 14,9% (1% im Vergleich) hatten in Grundschulen schlechte Zensuren
und bewegten sich an der Grenze der Hilfsschulbedürftigkeit. 1980 besuchten
0,3% der Zigeuner eines Jahrgangs eine Universität, im Vergleich dazu 7,1% der
Tschechen und Slowaken. Aus den Prozentrangwerten der Bildungsstufen läßt sich
so für die Zigeuner der früheren Tschechoslowakei ein mittlerer IQ von 85
ermitteln.
Die Kriminalitätsrate der Zigeuner (Kalvoda 1991) ist
sechs- bis achtmal höher als die der Tschechen (50% aller Raubüberfälle und 69%
aller Diebstähle in der Tschechischen Republik werden Zigeunern zugeschrieben),
ähnlich die Arbeitslosigkeit, die inzwischen bei den unqualifizierten Zigeunern
(Koch 1998) auf über 70% gestiegen ist, und etwa dreimal höher die
Sozialausgaben. Die Sozialstatistiken von Ungarn und Rumänien liefern ähnliche
Zahlen (Szabo 1991). Auch in Ungarn hat sich die Lage der Zigeuner - mit etwa
5% Bevölkerungsanteil die größte Minderheit - seit 1990 (Kovacs 1998)
dramatisch verschlechtert: Mehr als 70% sind arbeitslos, gebietsweise im Norden
über 90%. 55% aller Inhaftierten sind Zigeuner.
Inzwischen versucht man einen neuen Ansatz. In Kolin bei
Prag öffnete 1998 (Koch 1998) eine
„Soziale Roma-Mittelschule“, in denen Sozialarbeiter für die eigenen Leute
ausgebildet werden sollen. Einige der 45 Kandidaten für das Abitur der besonderen Art in Kolin drückten im Vorjahr noch Hilfsschulbänke. Dann wurden sie gründlich getestet und für gut befunden. Einige tschechische Grundschulen, hieß es, wollten ihre Roma-Schüler offenbar um jeden Preis loswerden. Das neue Projekt, vom Staat und einer internationalen Roma-Stiftung finanziert, soll nun den Beweis antreten, daß die Kinder der Minderheit, sofern man auf sie eingeht, zu ähnlichen Leistungen fähig sind wie ihre weißen Altersgefährten. Auch im ungarischen Pecs (Fünfkirchen) gibt
es eine ähnliche Schule, das Gandhi-Lyzeum, das vom Staat und aus einer Spende
des amerikanischen Mulitmillionärs George Soros finanziert worden ist (Kovacs
1998). Die Eltern der meisten Schüler haben nur die Hilfsschule besucht, aber
aus ihren Kindern soll eine Elite entstehen, die dazu beitragen soll, alle
Zigeuner in die ungarische Gesellschaft zu integrieren. Während man in anderen
Ländern das Geld vielleicht in die Empfängnisverhütung investiert hätte,
versucht man in Ungarn und der Tschechischen Republik jetzt diesen Weg.
Seit 1989 drängen Zigeuner verstärkt nach Deutschland. In
einem Bericht des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale
Studien können wir nachlesen (Oschlies 1993), daß das
Kontingent der Zuwanderer aus Rumänien zu 60% und mehr aus Zigeunern besteht. Mit
der Folge, daß die "Rumänen" den zweiten Platz nach der Zahl der
Tatverdächtigen in der deutschen Ausländer-Kriminalstatistik einnehmen. Inzwischen
hat sich durch die Repatriierungspolitik des Bundesinnenministeriums die Lage
wieder etwas entspannt. 1993 wurden an Deutschlands Ostgrenze 16 485 illegale
Einwanderer abgefangen, von denen 44,2% Zigeuner aus Rumänien waren. Dabei darf
aber nicht außer acht gelassen werden, daß nicht eine Bevölkerungsgruppe
insgesamt kriminell ist, sondern immer nur Einzelpersonen. Auch bei Zigeunern
ist die Mehrzahl der Personen nicht an kriminellen Handlungen beteiligt, nur
ihr prozentualer Anteil wegen der besonderen sozialen Lage und Geschichte und
den sich daraus ergebenden Problemen, wie bei allen mobilen
Bevölkerungsgruppen, vergleichsweise höher.
Die „Leipziger Volkszeitung“ vom 14.7.1993 schrieb auf S.
16: Im Polizeirevier für den gesamten Leipziger Nordosten machen von den insgesamt 90 000 Einwohnern die 350 Roma mehr als ein Drittel der operativen Arbeit der Polizei aus. Bereits am
21.6.1993 hatte es die „Leipziger Volkszeitung“ gewagt, auf S. 23 einen
Leserbrief einer Edith Lautenschläger zu veröffentlichen: „Sie suchen Schutz bei uns, aber wer schützt uns vor Ihnen? Dieser
Gedanke beschäftigt mich fortwährend, nachdem ich in der vergangenen Woche ganz
schamlos und gezielt von einer Gruppe junger, kräftiger Roma-Frauen bestohlen
worden war. In der Art, wie das vor sich ging, handelte es sich nicht etwa nur
um einen gelegentlichen Taschendiebstahl, weil ich vielleicht leichtsinnig mit
meiner Geldbörse umging. Keinesfalls, denn ich wurde am hellichten Tage in der
Straßenbahn sitzend von sechs oder sieben jungen Frauen laut schnatternd
umringt und durch Bettelgesten mit vorgestreckten Händen direkt vor meiner Nase
derart bedrängt, daß mein Versuch der Abwehr mit dem freien Arm (mit der
anderen Hand hielt ich meine verschlossene Handtasche und Einkaufsbeutel fest)
erfolglos bleiben mußte. Erst als mir zwei junge Männer halfen, ließen sie von
mir ab und stiegen an der nächsten Haltestelle aus. Aber in diesen wenigen
Sekunden hatten sie bereits ihr Ziel erreicht. Wie ich erst später merkte,
hatten sie unbemerkt den Reißverschluß meiner Geldbörse mit der für eine
Rentnerin nicht unbeträchtlichen Summe von 450 Mark gestohlen, die ich zwei
Stunden zuvor von der Sparkasse abgehoben hatte. Die Justiz wird diesen Vorgang
Trickdiebstahl nennen. Für mich jedoch stellt diese ganze Aktion einen Gewaltakt
dar. Denn was macht man als älterer Mensch gegen so einen Trupp junger Leute? Als
Trost gab es dann bei meiner Anzeige bei der Polizei verständnisvolle und
bedauernde Worte, aber natürlich nicht mehr. Wie sollte es auch. Wenn ich dann
in den Medien die Reden verschiedener politischer Gruppierungen über eine
multikulturelle Gesellschaft höre, so ist nicht nur dieses Wort fürchterlich
abgedroschen; denn damit haben auch andere Probleme, sondern es kommen
sicherlich nicht nur mir Bedenken um unsere Sicherheit. Es wird behauptet, daß
diese Volksgruppen z.B. in Rumänien verfolgt werden und damit ein Recht auf ein
umständliches und langwieriges Asylverfahren haben, obgleich sie aus einem
sogenannten sicheren Land kommen. Benehmen sich Menschen so, die aus Angst um
ihr Leben fliehen müssen? Ich bin überzeugt, daß sie zwar hin und wieder
Übergriffe erleiden, aber nur, weil die dort lebenden Menschen sich nicht alles
gefallen lassen und zur Selbstjustiz greifen. Auch das geflügelte Wort von den
schwarzen Schafen trifft hier nicht zu, zu viele Beispiele könnten bestimmt
viele Leipziger Geschäftsleute aufzählen. Diese Übergriffe ereignen sich ja
auch nicht aus einer Notlage heraus, z.B. als Mundraub. Die Familien bekamen
ein Dach über den Kopf und sind durch Sozialhilfe sichergestellt in einer Höhe,
wie in keinem anderen Land Europas. Ich finde, manche Sinti und Roma legen eine
recht seltsame Art von Dankbarkeit für die Aufnahme an den Tag. Oder sind wir
ein einziger großer Selbstbedienungsladen?“
Zu drastischen Problemlösungsversuchen neigte man in der
kommunistischen Tschechoslowakei. Die Zigeunerin Irena Brabkowa, 25 Jahre alt,
die in Kosice in der Slowakei lebt, berichtet selbst über diese Praktiken unter
der Überschrift „Den Weißen helfen sie sofort“ (in einem von Fienbork et al.
1992 herausgebenem Sammelband auf S. 103): Sie locken die Frauen mit dem Geld zur Sterilisation und sagen ihnen auch, daß ein oder zwei Kinder doch schon genug seien. Meine Schwägerin hat schon fünf Kinder gehabt und sich operieren lassen, bei der war das ganz gut. Sie hat dafür 25 000 Kronen bekommen, 5 000 auf die Hand und restliche 20 000 als Scheck. ... Ich aber wollte mich nicht sterilisieren lassen. Am 5.2.1993 weiß die
„Leipziger Volkszeitung“ (der Artikel ist geschrieben von Wolf und Brössler)
unter der Überschrift: „Den tschechischen Roma drohen harte Zeiten. Frühere
CSFR eint ein gemeinsames Problem: die Zigeuner“ zu berichten: Der tschechische Generalstaatsanwalt Jiri Setina hat ein Gesetz vorgeschlagen, nach dem der auffälligen Konzentration von Roma mit hohen Geld und auch Haftstrafen begegnet wird. ... Aber auch in slowakischen Zeitungen heißt es, die Minderheit solle nicht mehr bevorteilt werden. Unter dem Titel Wir wollen keine Apartheid klagt das Gewerkschaftsblatt Prace, daß die Minderheit die Mehrheit terrorisiere. Slowaken ließen sich bestehlen, vergewaltigen und ermorden und wissen keinen Rat.
Unter den Kommunisten, so eine weitverbreitete Ansicht, wurden Roma bevorzugt. Tatsächlich
wurden in der früheren Tschechoslowakei in großangelegten Programmen Wohnungen
für sie gebaut. In vielen Fällen standen schon nach
kurzer Zeit nicht viel mehr als die Grundmauern.
Sehr lange Erfahrungen im Zusammenleben mit Zigeunern
haben die Deutschen in Siebenbürgen gemacht. In Rumänien werden die ersten
Zigeuner urkundlich 1340 genannt, in Deutschland 1407. Überblickt man die
Situation der Zigeuner in Ungarn und Siebenbürgen vom 15. bis zum 18. Jahrhundert
und vergleicht sie mit ihrer Lage in Deutschland, so wird man zumindest sagen
können, daß sie im Südosten zwar auch am Rande der Gesellschaft lebten, aber
dort weniger Pressionen ausgesetzt waren. Das Volk der Zigeuner wanderte im 19.
Jahrhundert bis auf relativ wenige Sippen, die an der Peripherie von
Ortschaften seßhaft geworden waren, umher. Die ersten zuverlässigen Zahlen über
Zigeuner in Ungarn stammen aus der Josefinischen Konskription von 1780-1783. Danach
zählte man in Ungarn 43 609 Zigeuner. 1880 hatte Ungarn insgesamt 90 921
Zigeuner, davon 56 006 in Siebenbürgen. Das waren 2,7% der Bevölkerung
Siebenbürgens. Die relativ meisten Zigeuner lebten im Kreis Mieresch, zu dem
auch das Dorf Zendersch gehört. Über dieses Dorf gibt es eine unfangreiche
Gemeindegeschichte von Georg und Renate Weber (1985), auf die wir uns im
folgenden stützen. 1978 lebten in Zendersch 212 Zigeuner (von denen 185 = 87%
in der Gemeinde geboren waren). Das waren 18,5% aller Einwohner des Dorfes. Die
ersten Zigeuner müssen zwischen 1722 und 1750 nach Zendersch zugewandert sein,
um hier bodenständig zu leben. 1880 hatte ihr Bevölkerungsanteil 4,8% betragen
und betrug 1941 7,7%. Bis 1982 stieg ihr Anteil dann bis 30,1% an (344
Personen). 1978 betrug ihre Kinderzahl pro Familie 5,1. In der Bundesrepublik
Deutschland betrug die Vergleichszahl in dieser Zeit für die Zigeuner 3,4
Kinder, für alle Familien mit Kindern unter 18 Jahren damals 1,8. Von den
insgesamt 32 Zigeunerfamilien in Zendersch hatten 14 (44%) vier bis fünf Kinder
und zehn Familien (31%) sechs und mehr.
Noch eklatanter ist ihre Abweichung vom Mittel der
Siebenbürger Sachsen und Rumänen bei der Schulbildung. 99% aller nicht mehr
schulpflichtigen Zigeuner hatten höchstens vier Klassen Grundschule, und nur
eine Zigeunerin, von Beruf Lehrerin, hatte das Gymnasium besucht. Sehr viele
waren faktisch Analphabeten. 1956 lauteten die entsprechenden Zahlen für alle
Zigeuner Siebenbürgens: weniger als 4 Jahre Schule: 25,0%, 4 bis unter 7 Jahre:
73,8%, 7 Jahre: 1,2% und höhere Schule: 0.01%. Ein ähnliches schulisches
Qualifikationsdefizit hatten aber auch die Zigeuner in der Bundesrepublik
Deutschland, denn 1978 besaßen 91% der erwachsenen Zigeuner und Landfahrer
einen schulischen Ausbildungsgrad mit Volksschule ohne Abschluß, Sonderschule
oder gar keine schulische Ausbildung (Freese et al. 1980). Nach dieser
Statistik bezogen (1980) Zigeuner etwa fünfmal häufiger Sozialhilfe, als ihrer
Bevölkerungsanteil entspricht; 35% waren 1980 arbeitslos. Das Problem der Mischehe liegt zumeist darin, daß sich der nicht-zigeunerische Partner der Sippe der Zigeuner unterwerfen muß, aber nur in den seltensten Fällen deren vollständige Anerkennung erlangen kann. Gleichzeitig muß er häufig die Kontakte zur eigenen Familie abbrechen, wodurch er in die Gefahr großer Isolation gerät.
Nach allem, was wir heute von der Blutgruppengenetik und der Analyse ihrer sprachlichen Herkunft wissen, stammen die Zigeuner aus Nordindien, von wo sie begonnen haben, sich vor etwa 1 000 Jahren in Richtung Kleinasien und später dem Balkan in Bewegung zu setzen. Noch heute leben in den Ebenen Nordindiens eine Anzahl nomadischer Stämme, von denen einige von ihnen lange Zeit als
„kriminelle Kasten“ klassifiziert und verfolgt wurden (Fuchs 1962, S. 106ff.). Noch
heute gehören diesen Stämmen und Kasten mehrere hunderttausend Menschen an (und
ihre Zahl wächst absolut und relativ an.) Viele üben die verschiedensten
Wanderberufe aus oder sind fahrende Händler, Wahrsager, Schausteller und
Musiker, ein Teil von ihnen ernährt sich aber aus Handlungen, die auch in
Indien als kriminell gelten, wie Viehdiebstahl, organisierten Raubüberfällen
und Diebstählen. In der Beschreibung dieser in sich heterogenen Stämme finden
wir Elemente wieder, wie sie auch bei Zigeunern statistisch gehäuft auftreten. Auffällig
ist ferner der geringe Wortschatz der Zigeunersprache Romani (Vekerdi 1981),
die nur 800 Primärworte kennt, davon etwas mehr als die Hälfte indischen
Ursprungs. Die Zigeunersprache enthält keinerlei Begriffe aus denen sich
schließen ließe, daß die Vorfahren der Zigeuner in Indien jemals eine
produzierende Tätigkeit, etwa im Ackerbau, ausgeübt hätten. Ihrer Sprache
fehlen alle Begiffe, mit denen Arbeitsteilung und soziale Hierarchie
beschrieben werden können.
In der auch in Rumänien mehr und mehr auf
Bildungsauslese beruhenden und erziehungsorientierten Prestigeordnung spielen
die Zigeuner die Rolle von Analphabeten. Diese Rolle scheint den noch
schulpflichtigen Zigeunerkindern tradiert zu werden, denn die meisten
Zigeunerschüler in Zendersch besuchen - trotz Schulpflicht und Bemühungen der
Lehrer - den Unterricht nur gelegentlich, die am Dorfrande wohnenden überhaupt
nicht. Sie werden das Analphabetentum fortsetzen. Dafür sprechen miserable
frühkindliche Sozialisationsbedingungen wie: Raumenge, die Zigeunersprache
Romanes als Muttersprache, Sippenzentriertheit der sozialen Beziehungen,
soziales und räumliches Außenseitertum, Erziehungsziele wie Einhaltung von
Tabus, Anerkennung von Autoritäten im Rahmen eines ausgeprägten und oft
ritualisierten geschlechts- und altersspezifischen Rollenverhaltens mit
besonderen Vorstellungen von Sittlichkeit und Ehrenhaftigkeit, Entwicklung
körperlicher Wendigkeit auf Kosten intellektueller Fähigkeiten, weitgehende
Fehlanzeige von Leistungsbewußtsein und starke Schwankungen im Erziehungsstil. Im
Unterricht tauchen dann solche und viele andere Defizite aus dem vorschulischen
Raum auf, z.B.: Verständigungsschwierigkeit aufgrund schlechter rumänischer
Sprachkenntnisse, gering ausgeprägte Durchhaltebereitschaft und
Leistungsmotivation nebst Planungsvermögen, mangelnde Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit,
Konzentrations-schwierigkeiten, überdurchschnittliche motorische Fähigkeit und
Bedürfnis nach körperlicher Bewegung, was den Unterricht stört. Nimmt man noch
die Unfähigkeit und mangelnde Motivation der Eltern, die schulische Ausbildung
ihrer Kinder zu unterstützen, hinzu, so wird die Prognose, die junge
Zigeunergeneration in Zendersch holt das gesellschaftliche Schicksal ihrer
Eltern ein, verständlich.
Da auch im heute rumänischen Siebenbürgen die
berufliche Qualifikation und Berufsposition eng mit dem schulischen
Leistungsniveu und dem IQ zusammenhängen, ist für die Zigeuner in Zendersch ein
relativ hohes berufliches Qualifikationsdefizit zu erwarten. Den eklatanten
Mangel spiegeln folgende Zahlen wider: Nicht nur alle Arbeitsfähigen, sondern
alle Männer und Frauen hatten 1978 keinerlei Berufsausbildung - ausgenommen die
erwähnte Lehrerin von außerhalb. Die Vergleichszahl von 91% für die von Freese
et al. (1980) untersuchten Zigeunergruppen in Deutschland ist nicht viel
besser. Entsprechend fehlender beruflicher Qualifikationen, geforderter
Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit, arbeiten nahezu alle Zenderschen Zigeuner in
einem nicht festen Arbeitsverhältnis in der Landwirtschaft. Lediglich neun
Männer pendeln in die Stadt nach Schäßburg aus und verdienen dort als
Bauarbeiter ihr Geld. Damit scheint sich die Situation der Zigeuner von heute,
verglichen mit der Zeit vor 1944, strukturell wenig verändert zu haben, denn
bereits damals waren alle Zenderscher Zigeuner Analphabeten, ohne
Berufsausbildung, arbeiteten sporadisch als Tagelöhner in der Landwirtschaft,
flochten Körbe oder schnitzten Löffel, formten und brannten Ziegel, suchten
Pilze und Erdbeeren, strichen bei Hochzeiten nach Gefühl und Wellenschlag ihre
Geigen, verdienten als Abdecker etwas Lebensmittel oder lebten von Bettel und
gelegentlichem Mundraub. Hierin bildeten die Zenderschen Zigeuner keine
Ausnahme, denn die berufliche Situation der Zigeuner, auch in Ungarn insgesamt,
wird ähnlich beschrieben. Die Zigeuner stellen also auch heute noch das
entspannte Leben vor den wirtschaftlichen und sonstigen Erfolg. Noch immer
ähneln sie Mitgliedern von Urgesellschaften, die, ohne auf Mehrwert zu
schielen, gerade soviel arbeiten, daß es zum Leben reicht.
Auch heute noch hausen die Zigeuner in Zendersch
in erbärmlichen Lehmhütten mit zerzausten Stroh- oder Schilfdächern. Durch die
offene Tür sieht man in einen einzigen dunklen Raum, in dem sich das gesamte
häusliche Leben abspielt und der durch ein einziges winziges Fenster Licht
erhält. Eine ganze Menge von schwarzbraunen, glutäugigen Kindern lungern um das Feuer auf dem Erdboden herum. Über der
offenen Herdflamme hängt der Kessel, in dem die Mutter den Paulukes, einen in
Wasser gekochten Maisbrai, das Nationalgericht, zubereitet.
Die Randstellung der Zigeuner wird auch durch die Vorurteile der Bevölkerungsmehrheit tradiert. ... Bei allem sonstigen Streit in der Forschung ist man sich in einem Punkte einig: Vorurteile sind keinesfalls angeboren, sondern werden in sozialen Lernprozessen erworben. ... Da man den Zigeunern mehrere negative Merkmale, Eigenschaften und Verhaltensweisen mit Erfolg zugeschrieben hat, begegnet man ihnen dementsprechend. Von den rein äußeren Rassemerkmalen der Zigeuner schloß und schließt man auf alle anderen Verhaltensweisen und Eigenschaften. Zigeuner zu sein, bestimmte und prägte wie keine andere Tatsache die Stellung eines Angehörigen jener Gruppe auf lokaler Basis und damit auch den Umgang mit ihm. ... Trotz Kollektivierung und Sozialismus hat sich nach unseren Beobachtungen in der Einstellung zu den Zigeunern wenig geändert. Weder verkehren Siebenbürger Sachsen und Rumänen sozial mit ihnen, noch möchte man bei der Arbeit mit ihnen an einem Strang ziehen. Die ethnische und rassische Grenze bildet eine klare und sozial überwachte Trennlinie. ... Das ist bei den Zigeunern leicht möglich, weil sich mehrere Statusmerkmale bei ihnen häufen: niedriger IQ, Analphabetentum, mangelnde Berufsqualifikation, fremde Sprache und anderes Arbeitsethos. ... Fragt man nicht nur nach den Folgen, sondern weiter nach den Funktionen von Stigmatisierungen, so müssen mindestens zwei Ebenen unterschieden werden, die des einzelnen und die der ethnischen Gruppe in der Gemeinschaft. Für den einzelnen haben die negativen Merkmale oder Stigmata eine Orientierungsfunktion im Umgang miteinander, denn die Zeichen beinhalten bestimmte Erwartungen und Verhaltensweisen des jeweils anderen. Man kann das Verhalten des anderen aufgrund seiner Merkmale abschätzen und sich darauf einstellen. Eigene Unsicherheit wird dadurch vermindert. Doch diese Entlastung im Umgang miteinander hat auch eine Kehrseite. Sie verzerrt die Wahrnehmung des anderen und blockiert mögliche neue Erfahrungen mit ihm. ... Hinzu kommt, daß dem Zigeuner die Vorurteile der Mehrheit ihm gegenüber als Verhaltenserwartungen erscheinen. (zitiert nach Weber und Weber 1985). Die Stigmata regulieren den sozialen Verkehr zwischen den Gruppen, insbesondere zwischen Deutschen und Rumänen einerseits und Zigeunern andererseits. Letzteren versperren sie den Zugang zu knappen Gütern wie Status, Berufschancen, Ehepartnern, politischer Führung, Wohnlage im Ort usw. Das Vorhandensein der kastenähnlichen Gruppe der Zigeuner wirkt auf diese Weise systemstabilisierend. Wird z.B. nicht geerntet, wie erwartet, so kann die Führungsgruppe von Rumänen und Deutschen in der Landwirtschaft nicht nur das Wetter, sondern auch die mangelnde Arbeitsleistung der Zigeuner dafür verantwortlich machen.
Die Kriminalität von Zigeuner führt zu sozialen Konfikten
Lynn, Richard and Tatu Vanhanen: IQ and the Wealth of Nations.