Weiss, V: Bevölkerung hat nicht nur eine Quantität, sondern auch eine Qualität. Ein kritischer Beitrag zur politischen Wertung der PISA-Studie. Erschienen in: Wege aus der Krise. Veröffentlichungen der Gesellschaft für Freie Publizistik 18 (2002) 31-59
Der folgende Text aus: Weiss, Volkmar: Die IQ-Falle: Intelligenz,
Sozialstruktur und Politik. Graz: Leopold Stocker 2000, S. 68-71
Schulzensuren und Intelligenz
Die Durchführung von Intelligenztests verlangt oft einen erheblichen
technischen und organisatorischen Aufwand. Wie ein roter Faden zieht sich durch
dieses Buch hier die Tatsache, daß Schulzensuren und Intelligenztestleistungen
miteinander positiv korrelieren. In der DDR ist am Zentralinstitut für
Jugendforschung in Leipzig ab 1968 eine Längsschnittuntersuchung durchgeführt
worden, mit der sich viele der aus US-amerikanischen Untersuchungen bekannten
Zusammenhänge auch für Mitteleurpa bestätigen lassen.
Die folgende Tabelle zeigt z.B. den Zusammenhang zwischen den Ergebnissen des
verbreiteten und vielfach angewandten Intelligenztest Ravens Progressive Matrizen, dem sich daraus ergebenden IQ und ausgewählten Schulzensuren. Die Verteilung in Physik ist der für Mathematik sehr ähnlich, die für Russisch und Geschichte der für Deutsch.
Zusammenhänge zwischen der Leistung im
Intelligenztest Ravens PM und
den Zensuren an DDR-Schulen im Alter von 11 Jahren |
Rohtestwerte mittlerer Mittelwerte
der Schulzensuren im
PM IQ Mathematik Deutsch Biologie 0 -
28 79 3,4 3,1 3,3 29 - 32 88 3,4 3,1 3,1 33 - 36 92 3,0 2,9 2,9 37 - 40 99 2,8 2,7 2,7 41 - 44 107 2,4 2,4 2,5 45 - 48 117 2,2 2,2
2,3 49 - 52 129 1,7 1,8 1,8 53 - 56 143 1,3 2,0 1,5 Quelle:
nach Weiss 1982b in Weiss,
Lehrl und Frank 1986, S. 94, Tab. 14 |
In vielen Untersuchungen konnte gezeigt werden, daß bei Schulzensuren
die Korrelation zwischen Intelligenztest und Mathematikzensur am größten ist.
Im vorliegenden Fall ist sie 0,50, zu Deutsch 0,40. Wenn die Korrelationen in
der Regel nur r = 0,50 oder 0,60 betragen und deshalb oft als niedrig
bezeichnet werden, so müssen wir doch bedenken, daß die Korrelation zwischen
Zensur und Testleistung keinesfalls höher werden kann, als das Produkt der Wiederholungsreliabilitäten von Zensur und Test für sich
genommen. Diese Wiederholungsreliabilität ist die
Korrelation zwischen zwei Tests und wird gemessen, indem sich dieselbe Person
(oder ein eineiiger Zwillingspartner) einem inhaltlich gleichwertigen,
parallelen Test unterzieht. Bei Tests gelten Reliabilitäten
von 0,80 und 0,90 als hoch. Die Reliabilitäten von
Schulzensuren - man lege zur Probe nur einmal zwei verschiedenen Lehrern
denselben Schulaufsatz unabhängig voneinander zur Zensierung vor - ist dagegen
deutlich niedriger und erreicht kaum 0,70 und O,80.
Das Produkt der Reliabilitäten von Schulzensuren und
IQ-Tests kann also kaum höher als 0,60 sein. Und damit kommen die tatsächlich
gefundenen Korrelationen zwischen Tests und Mathematikzensuren den theoretisch
überhaupt möglichen schon ziemlich nahe. Die Korrelationen werden noch höher,
wenn man mehrere Schulzensuren zu einer neuen Skala zusammenfaßt und diese dann
mit dem Test-IQ korreliert, also z.B. Physik- und
Mathematikzensur, beide Fächer Eins ist Skalenstufe 1, in einem eine Zwei ist
Skalenstufe 2, in beiden eine Zwei ist Skalenstufe 3 usw. Da man auch für
Schulzensuren Prozentrangwerte und damit einen Schulzensuren-IQ
bestimmen kann, lassen sich auf der Grundlage von Schulzensuren im Prinzip die
gleichen Untersuchungen anstellen und die gleichen Zusammenhänge belegen wie
mit Tests. Schon Spearman (1904) war aufgefallen, daß
diejenigen, die in Mathematik herausragen, auch weit überdurchschnittliche Leistungen
in anderen Fächern haben, mit Ausnahme von Zeichnen, Musik und Sport.
Sowohl Schulzensuren als auch Intelligenztestleistungen korrelieren -
in der statistischen Masse, d.h. nicht in jedem Einzelfall - mit der später
erreichten beruflichen Qualifikation, was wir in diesem Buch hier vielfach
belegen. Als ein wichtiges Kriterium für die Entscheidung, ob ein Gymnasium
besucht wird oder nicht oder ob ein Studium in einer bestimmten Fachrichtung
aufgenommen wird, gelten die erreichten Schulzensuren bzw. - leistungen (dazu äußerten sich Arnold 1973, Mohr 1974, Süllwold 1976). Und selbstverständlich unterscheiden sich
damit Diplom-Mathematiker und Ärzte hinsichtlich ihrer mittleren Schulzensur in
Mathematik, die sie in der 4. Klasse hatten, von ihren früheren Mitschülern,
die Kraftfahrer, Bauarbeiter oder Gärnter geworden sind. - In der DDR erfolgte der Übertritt in eine zum Abitur führende Schule in der Regel erst in der 9. Klasse. Bei der schon erwähnten Längsschnittuntersuchung des Zentralinstituts für Jugendforschung in Leipzig waren die Schüler im 5. Schuljahr getestet worden, die Lehrer aber nicht über diese Testergebnisse informiert worden. Die Entscheidungen über den späteren Bildungsweg erfolgten also nur auf Grund der Schulzensuren und von Persönlichkeitseigenschaften. 33% der Schüler, bei denen im 5. Schuljahr mit dem Test ein IQ von weniger als 84 gemessen wurde, verließen die Schule als Abgänger der 6. oder 7. Klasse, die restlichen zwei Drittel in den Klassen 8, 9 oder 10.
Da IQ-Testleistung und Schulzensuren miteinander korrelieren, müssen
auch die unterschiedlichen Berufe unterschiedliche Leistungen in
Intelligenztests erreichen. Das ist natürlich auch so und entsprechende
Tabellen liegen für jeden ausgereiften Test vor, z.B. für den LPS-Test nach Horn (vgl. die folgende Tabelle).
Mittlere Leistungen ausgewählter Berufe im Intelligenztest LPS |
Rohtestwerte Mathematik-Spezialschüler 205 Betriebsingenieurschüler
168 Juristen
162 Psychologiestudenten
155 Technische Zeichenlehrlinge
146 Kaufmännische Lehrlinge
132 Elektrikerlehrlinge
116 Friseurlehrlinge 105 Bäckerlehrlinge
92 Ungelernte
60 Quellen: nach Weiss 1982b in Weiss, Lehrl und Frank 1986, S. 96, Tab. 16; LPS nach Horn 1962,
Subtest 3+4+7+8+9+10 |
Die höherqualizierten Berufe mit ihren
absolut höheren Testleistungen weisen dabei eine geringere Variabilität auf als
die wenigerqualifizierten. Ein Mathematiker wird (vgl. diese Tabelle) nie einen
Wert 80 aufweisen, sondern stets zwischen 140 und 260 liegen, für einen Bäcker
kann der Wert aber zwischen 40 und 210 schwanken. Ein ziemlich verblüffendes
Ergebnis, das wir später diskutieren werden. Im geschichtlichen Zeitablauf sind
diese Mittelwerte und Streuungen keinesfalls konstant. Genetiker, Photographen
und Kraftfahrzeugschlosser waren, als diese Berufe erstmals auftauchten, ziemlich elitäre
Beschäftigungen und für Personen mit relativ hohem IQ attraktiv. Werden diese
Berufe zu Massenerscheinungen und sinkt das
durchschnittliche Einkommen in einem solchen Beruf, ja, ist sogar ein
beträchtlicher Teil der Berufsausbildungsabsolventen regelmäßig arbeitslos,
dann sinkt auch der durchschnittliche IQ der Personen, die diesen Beruf
anstreben und ausüben. Dieser Vorgang hat sich z.B. in den letzten zwei
Jahrzehnten bei Psychologie- und Soziologiestudenten abgespielt. In
Abhängigkeit von der Wirtschafts- und Sozialstruktur eines jeden europäischen
Landes sind dabei die mittleren Testleistungen der Berufe von Land zu Land
etwas verschieden, ohne daß dabei die regelhaften Zusammenhänge völlig
verschwinden. Wird ein Beruf, der an und für sich einen hohen IQ erfordert,
relativ schlecht bezahlt, so wie das bei Ärzten in der Sowjetunion der Fall
war, dann wird sich das auch auf den mittleren IQ des Berufes auswirken.
Politiker sind deutlich schlechter bezahlt und haben ein höheres Berufsrisiko
als Bankdirektoren und Industriemanager. Wer eine Bank oder eine große Fabrik
geerbt hat und selbst intelligent ist, hat deshalb nur eine geringe Motivation,
Berufspolitiker zu werden. Dieser Leidensweg ist eher für mehr oder minder
intelligente Menschen von zumeist bescheidener sozialen Herkunft, etwa den
Söhnen von Handwerksmeistern, vorbehalten. Bestimmte hochqualifizierte
Facharbeiterberufe sind in ihrem mittleren IQ manchen akademischen Berufen
durchaus ebenbürtig. Aber der Meister, der um 1965 Fernsehgeräte reparierte,
mußte andere Anforderungen erfüllen, als der Mechaniker, der heute nur noch
Baugruppen austauscht. Jeder von uns kann auf Grund seiner eigenen Erfahrungen
die Liste an Beispielen erweitern.
Die Häufigkeit von Hochbegabten bei den Verwandten von Hochbegabten
Hochbegabtenuntersuchungen aus aller Welt
Der IQ von führenden Nationalsozialisten, zitiert nach: Gilbert, G. M.: Nuremberg Diary. New York: Signet Book 1947, p. 34; Wechsler-Bellevue IQ: Hjalmar Schacht IQ 143, Arthur Seyss-Inquart IQ 141, Hermann Göring IQ 138, Karl Dönitz IQ 138, Franz von Papen IQ 134, Erich Räder IQ 134, Dr. Hans Frank IQ 130, Hans Fritsche IQ 130, Baldur von Schirach IQ 130, Joachim von Ribbentropp IQ 129, Wilhelm Keitel IQ 129, Albert Speer IQ 128, Alfred Jodl IQ 127, Alfred Rosenberg IQ 127, Constantin von Neurath IQ 125, Walter Funk IQ 124, Wilhelm Frick IQ 124, Rudolf Hess IQ 120, Fritz Sauckel IQ 118, Ernst Kaltenbrunner IQ 113, Julius Streicher IQ 106 - "confirming the fact that the most successful men in any sphere of human activity - whether it is politics, industry, militarism or crime - are apt to be above average intelligence."
A collection of articles on Intelligence and IQ
Prof. Dean K. Simonton, Links to Genius; Giftedness and Talent; Intelligence; Savants; Geniuses, Creators, and Leaders