Aus: Weiss, Volkmar: Die IQ-Falle: Intelligenz, Sozialstruktur und Politik. Graz: Leopold Stocker 2000, S. 106f.
Die wirtschaftlichen Folgen des Testens sind komplex. Die Bewerber
würden sehr stark ausgesiebt, wenn jeder Arbeitgeber die Möglichkeit hätte, die
Intelligentesten zuerst einzustellen. Für den Rest würde die Validität der
Tests wegen der Verringerung der Schwankungsbreite der Verteilung deutlich
sinken. In der Praxis der deutschen Personalchefs galt aber zumeist das Hochschulstudium und seine Ergebnisse als ein ausreichendes Selektionskriterium. Das funktioniert aber nur, solange die Hochschulabschlüsse nicht durch eine ausufernde Bildungsinflation, wie sie in vollem Gange ist, entwertet sind.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Wirtschaftlichkeit der Arbeit
in den meisten zivilen und militärischen Tätigkeiten durch den IQ vorhergesagt
werden kann, und zwar mit einer Validität, die etwa bei 0,40 liegt. Je größere
Anforderungen an die Intelligenz von einer Tätigkeit gestellt werden, desto
höher ist die Vorhersagekraft von Tests. Auf dem Arbeitsmarkt der USA sagt,
insgesamt gesehen, der IQ den Nutzen besser voraus als jede andere Variable und
auch besser als der Bildungsgrad. Herrnstein und
Murray (1994) meinen, daß auch ein Test von geringem Vorhersagewert dann noch
wirtschaftlich wertvoll sein kann, wenn es darum geht, wenige Personen aus
einer sehr großen Zahl von Bewerbern auszusieben. Tatsächlich kann in vielen
Fällen ein Kurztest der Allgemeinen Intelligenz (Lehrl
et al. 1991), der als Papier-und-Bleistift-Test und für Gruppen von Personen in nur 5 Minuten absolviert werden kann oder ein Mehrfachwahl-Wortschatztest (nach Lehrl 1989), bei dem Wörter verschiedenen Bekanntheitsgrades mit Kunstwörtern gemischt sind und die Versuchsperson das deutsche Wort unterstreichen muß. Also z.B. :
Saif Teif Weif Reif Laif
Teloche Fasoche Epoche Koloche Masoche
Solche einfachen, aber sehr aussagekräftige, Tests können weit wirtschaftlicher sein, als wenn man Bewerbergespräche führt und Empfehlungsschreiben durchsieht.
Der Hauptpunkt, auf den man immer wieder aufmerksam machen muß, ist,
daß Intelligenz in einem fundamentalen Zusammenhang mit der Arbeitsleistung
steht. Wenn man Intelligenztests verbietet, so wie das in der Sowjetunion nach
1936 geschehen ist und in allen Ostblock-Staaten (einschließlich der DDR) nachvollzogen
worden ist, so wie die Tests unter Hitler unerwünscht waren, da die Juden bei
Tests hohe Werte erzielten und die Ganzheit der Person angeblich verdunkelt
wurde und wie es in den USA heute von Politikern immer wieder versucht wird,
das Testen des IQ zu verbieten, so wird man damit die Bedeutung der Intelligenz
nicht los. Die Alternativen, die Arbeitgeber zur Verfügung haben -
biographische Daten, Empfehlungen, Bildungsgrad usw. lassen deswegen eine
Vorhersage der Arbeitsleistung zu, weil sie auf unvollkommene Weise etwas über
die Intelligenz eines Bewerbers aussagen (und in ihrer Kombination und
richtigen statistischen Behandlung Testergebnisse ersetzen können). Private
Arbeitgeber, denen das Testen verboten ist, sind in der Regel dennoch bestrebt,
über eine leistungsfähige Belegschaft zu verfügen, und sie tun das, indem sie
nach den hellsten Köpfen Ausschau halten. Es ist nicht einmal notwendig, daß
die Arbeitgeber wissen, daß Intelligenz die Eigenschaft ist, nach der sie
Ausschau halten. Wenn die Arbeitgeber ihre Einstellungsverfahren ständig
verbessern, indem sie die Qualität ihrer Beschäftigten mit den verwendeten
Einstellungskriterien vergleichen, so schält sich immer wieder die Bedeutung
der Intelligenz heraus, um was es auch immer gehen und wie man das auch immer
nennen mag. Als 1970 die empirische Sozialforschung in der DDR in Gang kam,
wurde eine große repräsentative Untersuchung aller Beschäftigten in der
Industrie auf den Weg gebracht und jeder untersuchte Arbeitsplatz, ob der eines
Arbeiters oder der eines Angestellten, wurde durch eine Expertengruppe nach dem
„Kompliziertheitsgrad der Arbeit“ bewertet. Als man dann alle Korrelationen
analysierte (der Verfasser, V. Weiss, war dabei),
stellte sich heraus, daß die sozialen Unterschiede - ja daß alle Unterschiede
- mit keiner anderen der untersuchten 200 Variablen so klar und so deutlich korreliert waren, wie mit diesem Kompliziertheitsgrad der Arbeit. Was man in Wahrheit gemessen hatte, war der IQ. In keinem Bericht an die Parteispitze der DDR durfte der Begriff IQ auftauchen, in Gesprächen unter vier Augen oder im kleinen Kreis sprachen die Forscher aber aus, was sie eigentlich gefunden hatten. Auch in der Psychologie war es verpönt, von IQ oder gar dessen erblichem Hintergrund zu sprechen. In meinem ersten Gespräch unter vier Augen, das ich mit dem führenden Vertreter des Faches hatte, gab er mir den gutgemeinten Hinweis, nur noch von Leistungsvoraussetzungen zu sprechen. Den Begriff politisch korrekt (vgl. die glänzende Kritik in Zimmer 1997) kannte man damals - 1970 - allerdings noch nicht.
Hochbegabtenuntersuchungen aus aller Welt