Aus: Weiss,
Volkmar und Karl Butter: Familienbuch für Zschocken/Krs. Zwickau
1540-1720. Rekonstruktion der Familien eines großen Bauerndorfes
ohne Kirchenbücher aus den Gerichtsbüchern und den archivalischen
Quellen der Nachbarorte. Leipzig: Historische Kommission der
Sächsischen Akademie der Wissenschaften 1988 (= Quellen und
Forschungen zur sächsischen Geschichte 9), S. 2-9 : Resteexemplare
des Buches können zum Preis von 22 Euro plus Versandkosten vom
Verfasser bezogen werden: Dr. Volkmar Weiss, Rietschelstr. 28,
D-04177 Leipzig
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Für sozial-, wirtschafts- und
bevölkerungsgeschichtliche Untersuchungen gewinnen detaillierte statistische Analysen historischer Quellen eine immer größere Bedeutung (1). Die Aufbereitung der Quellen für die statistische Analyse oft unter Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung ist dabei ein sehr zeit- und arbeitsaufwendiger und methodisch oft komplizierter Arbeitsschritt, der aber der eigentlichen wissenschaftlichen Analyse notwendigerweise vorangehen muß. Umfangreiche Erfahrungen liegen dabei vor allem bei der familienweisen Verkartung von
Kirchenbüchern (KB) ganzer Orte und Landstriche vor, so auch im Landkreis Zwickau
(2). Noch schwieriger wird die Aufgabe, wenn, wie im Falle von Zschocken im Kreis Zwickau, alle älteren Kirchenbücher im
Jahre 1716 verbrannt sind. Bei dieser Quellenlage kann man noch eine
Familienrekonstruktion aus den Gerichtsbüchern (GB) des Ortes selbst und den
Quellen der Nachbarorte versuchen. Da für eine derartige Aufgabenstellung dem
Verfasser bisher weder ein Beispiel für einen so großen Ort noch eine
methodische Anleitung bekannt ist, war diese Arbeit von besonderem Reiz (3),
und die methodischen Erfahrungen der Arbeit dürften von einem gewissen
allgemeinen Interesse sein. – An dieser Stelle sei auch auf die Erfahrungen von
Arno LANGE (4) verwiesen, der in den Zwanziger Jahren seine Bauernkartei
(Standort: Staatsarchiv Dresden) für den mittelsächsischen Raum aufstellte. Er verkartete die Kaufverträge zahlreicher Dörfer, aber ohne
dabei das Ziel zu haben, die Familien
aus den Tagzeiten (Termingeldern) wieder zusammenzustellen, so wie das hier versucht wird.
Zschocken (5) liegt in einem Nebental
der Zwickauer Mulde, im Dreieck zwischen den Städten Wildenfels, Hartenstein
und Oelsnitz/Erzgebirge (letzteres früher ein Dorf).
Mit 1800 ha gehört die Ortsflur des 5 km langen
Dorfes zu den größten des Erzgebirges. Auf den ursprünglich 60 Vollbauernstellen
saßen in der Mitte des 16. Jahrhunderts 55 besessene Mannen, 39 Gärtner und 10
Häusler. Auffällig waren für Zschocken mehrere große
Güter, wie Nr. 53 und andere Dreihufengüter mit Kaufpreisen über 2000 fl., die
das Fortschreiten der sozialen Differenzierung belegen und das Dorf auch aus
der Nachbarschaft etwas abheben (6). Daneben finden wir auch in Zschocken fließende Übergänge zwischen Gartengütern und
Teilhufengütern, was deren Wert und Verkaufspreis anbetrifft. Nur in der
rechtlichen Stellung innerhalb der Dorfgemeinschaft unterscheiden sich diese
Gärtner und Hüfner (12). Um 1700 läßt sich der Bau
mehrerer neuer Wohnhäuser belegen, auf denen sich Handwerker ansiedeln. – Zum
Ort gehört seit etwa 1400 die Wüstung Wittendorf mit 12 – 15 Hufen, die bis ins
18. Jahrhundert hinein stets gesondert weiterverkauft wurden bzw. extra erwähnt
werden, ohne daß es dabei möglich wäre, eine genaue Besitzfolge aufzustellen. –
Für die vier räumlich miteinander verzahnten Besitzanteile des Dorfes (Hartensteinisch, Altschönburgisch,
Grünhainisch, Wildenfelsisch)
gab es getrennte Richter und Schöppen und teilweise eigene Gerichtsbücher, die leider auch nicht vollständig sind. So fehlt bei dem Grünhainischen Anteil um 1700 ein Buch.
Wer mit Gerichtsbüchern arbeitet, sollte die Schrift der Gerichtsbücher
fließend lesen können, den Dialekt und die Besonderheiten der jeweiligen Gegend
kennen, auch ältere Sprachformen wie Eidam für Schwiegersohn z.B., und die
Rechtsverhältnisse (7). Im Gebiet gilt Jüngstenrecht; war der jüngste Sohn noch
nicht alt genug, übernahm den Hof der
Stiefvater oder ein älterer Bruder, der ihn später in der Regel an den Jüngsten
weiterverkaufte. – Wichtigste personengeschichtliche Quelle sind die
Kaufverträge über die Bauerngüter: Am Anfang werden Käufer und Verkäufer
genannt und – sofern gegeben – ihre verwandtschaftliche Stellung zueinander
(aber auch dabei gibt es leider Ausnahmen); bei ortsfremden Käufern oft auch
der Herkunftsort. Ist der frühere Besitzer verstorben, dann treten als
Verkäufer seine Erben auf. Meist also die Kinder; unmündige Kinder oft mit
Vormündern (oft Nachbarn), verheiratete Töchter mit ihren Ehemännern, wenn
ortsfremd, dann oft unter Nennung von deren Wohnorten; und die Witwe mit „kriegischem Beistand“ (ein Verwandter oder Nachbar). Oft
wird aber anfangs nur von der „Witwe“ und den „unerzogenen Kindern“ gesprochen,
ihr Vorname aber manchmal inmitten des oft seitenlangen Textes des
Kaufvertrages genannt (etwa bei Auszugsregelungen), den man deshalb durchlesen
muß, obwohl die Details – abgesehen vom Kaufpreis selbst, der die
wirtschaftliche Situation des Gutes charakterisiert (aber auch, bei
mehreren Geschwistern, Rücksicht auf die
zu erwartende Zahlungsfähigkeit des kaufenden Bruders nimmt), und dem Angeld, das sofort gezahlt werden mußte,
personengeschichtlich nur von mäßigem Interesse sind, wenn man auch manchmal
Bemerkungen über die Wirtschaftsführung („War ein gar übler Haushälter ... „)
oder die Schulden des Verstorbenen findet. Am Schluß des Kaufvertrages werden
die anwesenden Richter und Schöppen genannt. –
Wichtigste Quelle sind dann die anschließenden Tagzeiten, d.h. die
aufgeschlüsselte Festlegung, wann bestimmte Teile der Kaufsumme fällig werden
und an wen zu zahlen sind. Dabei werden die Erben oft namentlich genannt, häufig
aber auch pauschal von den „7 Scheibnerischen Erben gesprochen oder der Witwe und den Töchtern. Die erfolgten Zahlungen mußten bestätigt werden: Dadurch ist erkennbar, in welchen Jahren z.B. eine Tochter heiratete, bei wem und wo sie dann wohnte. Daraus und auch aus den Zahlungen von Zuchtgeld für unmündige Kinder und von Ausstattungsgeld im Falle der Heirat oder des Mündigwerdens läßt sich für einzelne Personen das Geburtsjahr ziemlich gut schätzen. Starb ein Erbe, dann quittieren seine Kinder und Enkel (bzw. Erben) für seinen Erbteil. Scheinbar bieten derartige Angaben, die man Zeile für Zeile aufmerksam durchlesen muß, eine ideale Quelle, um die Familien eines Dorfes zu rekonstruieren. Aber gerade hier beginnen die Schwierigkeiten.
Am Beginn eines Kaufvertrages wird die Lage eines Gutes gekennzeichnet, wie
z.B. „in Rainen und Steinen gelegen zwischen Paul Erler und Matthes Heinze“.
Der Juniorautor (V.WEISS) war anfangs der irrigen Ansicht, daß er mit der Verkartung aller Kaufverträge, aller genannten Personen und
Güter die Güter und Personen schließlich eindeutig identifizieren und zuordnen
könne. Das wäre aber auf diesem Wege niemals einigermaßen befriedigend
gelungen, wenn nicht von dem Dorf die umfangreiche unveröffentlichte
Güterchronik (8) des Seniorautors (K. BUTTER) existierte, von deren
Vorhandensein der Juniorautor erst nach jahrelanger Vorarbeit Kenntnis erhielt,
die aber dann aus der Sackgasse herausführte. Ohne die Auswertung dieser
Güterchronik wäre die Arbeit des Juniorautors in der vorliegenden Form und
Vollständigkeit nicht denkbar, weshalb wir auch beide – V. WEISS und K. BUTTTER
– für die Gesamtleistung als Verfasser zeichnen. – BUTTER war in seiner
Güterchronik (8) von der Gegenwart und den Grundbüchern ausgegangen und hatte –
zeitlich rückwärtsschreitend – so die Güter eindeutig auf der Ortsliste
identifizieren können. Ein großes Hindernis waren Familiennamenveränderungen
(Schuster und Ludwig erwiesen sich als eine Familie, vgl. 498ff.; Martin Siegel
hieß auch Martin Richter, vgl. 537; Roder, Rother, Ruther, Röder, Ruder, Rudorff, Rudrof gehören alle zusammen, vgl. 425ff.) und noch mehr
Namensgleichheiten: Z.B. hießen Scheibner, Christoph
10 Bauern, vgl. 444ff.; Scheibner, Abraham 5, vgl.
438ff.; Scheibner, Hans 11, vgl. 454ff.. Töchter und
Söhne hatten im 17. Jh. in allen Scheibner-Familien
immer wieder die gleichen Vornamen. Die Zahl der Karteikarten mit den einzelnen
Namen war aber weit höher als die Zahl der Familien, weil ein Bauer
gleichzeitig manchmal mehrere Güter in verschiedenen Anteilen besaß, die er zu
unterschiedlichen Zeiten wieder verkaufte (so z.B. 438, Scheibner, Abraham). Gütertausche oft mit Ausgleichszahlungen und kurzfristige Käufe und Wiederverkäufe erfolgten dabei, um finanziellen Belastungen, aus Tagzeitverpflichtungen und anderen Schulden, besser gerecht werden zu können.
Bei der damals geringen Lebenserwartung starben die Besitzer oft, bevor die
Tagzeiten ihres Kaufes vollständig bezahlt waren. Bei dem nun notwendigen
Wiederverkauf, manchmal an eine völlig fremde Person, müssen die Tagzeiten für
die Gläubiger aus dem ersten Kauf übernommen werden und werden am Schluß des
zweiten Kaufvertrages (namentlich einzeln oder sehr pauschal) erneut bei den
Tagzeiten genannt. Das kann nun mehrfach erfolgen, so daß es völlig falsch ist,
aus der Nennung unter den Tagzeiten auf ein verwandtschaftliches Verhältnis
zwischen Verkäufer und den in den Tagzeiten genannten Personen zu schließen,
wenn dieses nicht eindeutig belegt ist. Das aber macht notwendig, die
Vorgeschichte der Verkäufe eines Gutes und möglichst auch das Netz der
Verwandtschaftsbeziehungen gründlich zu kennen, um zu wissen, warum bestimmte
Personen unter den Tagzeiten erscheinen. Das gelingt nicht beim ersten
Durcharbeiten der Gerichtsbücher. Drei- bis viermal mußten die Bücher
durchgearbeitet werden, und nicht alle Unklarheiten konnten beseitigt werden.
Zweifelsfälle sind im Text als fraglich und unklar gekennzeichnet. Jeder, der
einmal eine ähnliche Arbeit, bei ähnlicher Quellenlage, durchgeführt hat, wird
dafür Verständnis haben. – Oft kam es zu Zweitehen
(oder Mehrfachehen) der Witwen oder Witwer, wobei
dann zwischen Vater- und Mutterteil des Erbes unterschieden werden muß, bei der
Nennung der Kinder (wenn überhaupt einzeln namentlich) aber oftmals nicht hervorgeht,
aus welcher Ehe sie eigentlich stammen. 1676 erhalten z.B. Geld von Wolf Merten
(s. 298): Hannß Merten und Michel Merten auf ihr
Mutterteil, ferner Simon Losch zu Adorff altes
Erbegeld; Maria, Peter Seidels, Jäger zu Graßdorff
Eheweib vertagtes Erbegeld; Hanns Winkler zu Schneeberg hinterlassene Witwe
Erbfälle. Warum die letzteren drei hier überhaupt Geld erhalten, konnte nicht
geklärt werden. Manchmal kommen die Gläubiger von weit her und fordern seit
vielen Jahrzehnten fällige Erbgelder; so kamen 1665 aus der Markgrafschaft
Bayreuth Peter Klitzsch und sein Schwager Matz Rüger und fordern und erhalten alte Erbegelder von Hanß Dittrich (s. unter 77). Brauchte jemand rasch Bargeld, so konnte er in einem Geldkauf sein Erbteil verkaufen und dafür eine geringere Summe, aber sofort, erhalten. Machte ein Bauer zu Lebzeiten Schulden, dann mußten diese ebenfalls von seinen Erben beglichen werden und die nichtverwandten Gläubiger erscheinen unter den Tagzeiten, auch bei Wiederverkäufen, und schließlich sogar beim Tode des Gläubigers dessen Erben.
In einer anderen Erbschaftsregelung von 1679 wird das Erbe des in der
Schlacht bei Lützen 1632 verschollenen Christoph Lessig
(geb. 1607) auf seine Geschwister und deren Erben und Enkel aufgeteilt (s.
unter 279), die mit Wohnort alle namentlich genannt werden, auch die Ehefrauen.
Weitere Quellen, die zur Verfügung standen – siehe Sachregister – waren zwei
Geburtsbriefe für Bauernsöhne (weichende Erben), die ein Handwerk in der Stadt
lernen wollten, ein Testament (bei einer Zweitehe zur
Sicherstellung der Kinder aus erster Ehe), Verkäufe von Geraden und Heergerät
(7), Vormundschaftsregelungen, Gerichtsakten über kriminelle und sittliche
Vergehen, dazu auch die Akten der Superintendentur,
Leichenpredigten und Universitätsmatrikel (einzelne Bauersöhne studierten
Theologie; einer wurde Kaufmann in Leipzig, s. 190). Die Land- und
Türkensteuerregister ermöglichen es vor allem, die Güter in ihrem relativen
Wert einzuschätzen (6). Von 1618 ist eine Turmknopfnachricht überliefert, in
der die Bauern und Richter namentlich alle genannt sind. Damit sind die Quellen
für Zschocken ziemlich erschöpft; ein Gemeindearchiv
ist nicht erhalten. Für Personen, die nur als Pächter (Schmied und Müller) auf
ihren Grundstücken saßen, ist es besonders schwierig, etwas zu finden, da
Pachtverträge selten in den GB enthalten sind. – Vor 1600 werden die Tagzeiten
kaum detailliert aufgeführt und nur Verzichtserklärungen (Quittungen) für
erfolgte Zahlungen, aus denen noch schwerer die Zusammenhänge zu belegen sind.
– In der vorliegenden Arbeit wurde darauf verzichtet, bei jedem Zschocken betreffenden Kauf und Verkauf auch die Seite des
betreffenden GB anzugeben. Sie lassen sich relativ leicht in den chronologisch
aufeinanderfolgenden GB Hartenstein 124 bis 131 für Zschocken wiederfinden und sind auch dem Manuskript von BUTTER (8) angegeben.
Im einzelnen sind es für Zschocken die GB Hartenstein 124 (1549-1609), 125
(1577-1679), 126 (1609-1655), 127 (1635-1695) Grünh.,
128 (1657-1712) Wild., 129 (1680-1758) Schönb.-Hartenstein.,
130 (1716-1743) Grünh., 131 (1711-1759) Wild. Die
Eintragungen vor 1600 finden sich vor allem auch in den GB Hartenstein 8
(1544-1554) und 9 (1554-1573) für das Amt Hartenstein und den GB Wildenfels 1
(1536-1568), 2 (1569-1599) und auch 3 (1598-1640) für das Amt Wildenfels für
die jeweils dazu gehörenden Anteile von Zschocken.
Nur bei versteckten Angaben oder für dritte Orte ist die genaue Quelle angegeben. Wir empfehlen, in Zweifelsfällen, wieder auf diese Primärquelle zurückzugehen.
Neben den GB für Zschocken
wurden die GB von 21 Nachbarorten durchgearbeitet, d.h. vor allem die Tagzeiten
gründlich durchgesehen, ob Personen von und nach Zschocken
verzogen sind. Bearbeitet wurden die GB von Beutha,
Ortmannsdorf, Reinsdorf, Schönau, Thierfeld,
Vielau, Wildenfels (mit Härtensdorf), ferner Planitz 254, Mülsen St. Jacob 107
und 108, Mülsen St. Niclas 131, Mülsen
St. Micheln 123 und 124, Wildbach 114 und 115, Niederschlema
37, Oelsnitz 38 und 50, Mitteldorf 20, 21 und 22,
Oberdorf 36, Oberwürschnitz 89 und 92, Niederwürschnitz 90, Lugau 55, Rödlitz
142. – Größere Ergänzungen dürften sich damit eigentlich nur noch in den
restlichen GB für Oelsnitz finden lassen, deren Bearbeitung noch aussteht.
Gegenüber der Erstfassung der Arbeit (Manuskript aus dem Jahre 1979) ist zu
bemerken, daß auch die damals noch nicht bearbeiteten Traubücher von Zwickau,
Schneeberg, Kirchberg (Stadt), Neustädtel, Waldenburg
und Beutha inzwischen alle ebenfalls mit durchgesehen worden sind. Unbearbeitet blieben aber in der Regel weiterhin die Tauf- und Sterbedaten der meisten ab- und zuwandernden Personen.
Dadurch ergeben sich gegenüber der Erstfassung 1979 eine Reihe Ergänzungen
und Berichtigungen im Text. Es wäre jedoch eine Quelle der Verwirrung, die
Durchnumerierung der Familien von 1979 jetzt aufzuheben. Es wird deshalb hier
diese Numerierung beibehalten und, wenn erforderlich, durch a, b, ... ,
ergänzt. – Eine kritische Haltung zu dem hier vorgelegten Text wird empfohlen,
und, wenn notwendig, eine eigene kritische Überprüfung der Zusammenhänge anhand
der Register oder auch der Primärquellen. – Text und Register schließen in der
Regel 1720, doch sind in Einzelfällen über 1720 hinausgehende Angaben gemacht
worden, wenn sich die Zusammenhänge für diese Familien nicht aus den KB für Zschocken ab 1717 ergeben.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß eine derartige
Familienrekonstruktion ungewöhnlich aufwendig ist. – Rechnet man im 17. Jh. mit
etwa 100 ansässigen Familien in Zschocken und etwa 6
bearbeiteten Generationen, dann ist es mit rund 650 Familien gelungen, die
vorkommenden Familien einigermaßen vollständig zu erfassen. Im 17. Jh. gelang
es, 170 Ehefrauen mit Vor- und Familiennamen zu identifizieren. Eine vollständige Genealogie bis 1540 ist nur noch in einzelnen Linien vorhanden, oft über die Schwiegersöhne vermittelt. Gewarnt werden muß vor der Unsitte mancher Genealogen, aus der Aufeinanderfolge von Personen mit demselben Familiennamen auf demselben Gut ohne direkten Beleg Besitzfolgen von Vater und Sohn konstruieren zu wollen (4). Allein in dieser Arbeit hier lassen sich wenigstens 20 Beispiele finden, wo die Güter zwischen anderen Verwandtschaftsgraden desselben Familiennamens verkauft werden, zwischen Brüdern (so z.B. 240, 365, 386, 438), Vettern (352) und an den Neffen (s. 627). Als Vermutung ist die Besitzfolge Vater und Sohn bei Familiennamengleichheit (9) zwar bis zu etwa 80% zutreffend, aber ohne direkten Beleg bleibt es eben nur eine Vermutung.
Der eigentliche Wert der Arbeit dürfte in der Aufarbeitung der
Primärquellen für weiterführende Arbeiten der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
(und der Namenforschung) bestehen, für die dieser Beitrag über Zschocken ein kleiner Teil einer größeren Stichprobe von sächsischen Dörfern sein könnte (10, 12). Lägen vergleichbare Daten für 20, 30 oder 40 sächsische Dörfer vor, dann ließen sich damit z.B. repräsentative Aussagen zur sächsischen Agrargeschichte im 17. Jh. machen, etwa über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges oder über die beginnende Änderung der
Sozialstruktur um 1700 und die zunehmende Ansiedlung von Handwerkern auf neuerbauten Wohnhäusern (vgl. Besitzfolge auf den Gütern und Häusern). Die Wertminderung durch den Dreißigjährigen Krieg beträgt z.B. hier für 46 Güter und Häuser, für die derartige Zahlen vorliegen, vom letzten Verkauf vor 1633 bis zum ersten Verkauf nach 1648 rund 40%, d.h. sinkt von absolut 41300 fl. auf 24100 fl.; 17 Güter erreichten in Zschocken
vor 1633 Preise von 1000 fl. und mehr, in den Jahren unmittelbar nach 1648 dann
nur noch 5. – Es sollte auch in Ahnenlisten (AL) obligatorisch werden, daß –
wie hier im Familienteil der Arbeit – in Kurzform die Kaufpreise der Güter oder
Häuser und die Steurereinstufung mit angegeben werden.
Es gibt bisher für Sachsen nur die Dissertation von J. HERZOG (10), die das
komplizierte Gefüge von finanziellen Verpflichtungen der Bauern untereinander
und gegenüber ihren Gläubigern und Grundherren analysiert, da eigentlich nur
auf diesem ökonomischen Hintergrund deutlich wird, warum etwa bestimmte soziale
Heiratskreise so existierten oder etwa das Richteramt übernommen wurde, d.h.
eigentlich müßte man so weit gehen, auch noch die Höhe der Angelder
und die Termingelder (Tagzeiten) mit auszuweisen, um sie statistisch ausweisen
zu können. HERZOG (10) konnte auf diese Weise z.B. für Lampertswalde für das 16. Jahrhundert nachweisen, daß die Hufengüter bei einem durchschnittlichen Kaufpreis von 550 fl. die durchschnittliche 4,6 erbberechtigten Kinder mit je 133 fl. ausstatten konnten; die Halbhufengüter bei einem Kaufpreis von 320 fl. 4,6 Kinder mit je 50 fl.; die Viertelhufengüter bei einem Kaufpreis von 200 fl. 4,1 Kinder mit je 28 fl.; die Häusler mit je 90 fl. 3,3 Kinder mit je 23 fl.; die Müller aber mit einem Kaufpreis von 1600 fl. 5,4 Kinder mit je 401 fl.. Da die Kindersterblichkeit zu den aufgeführten sozialen Unterschieden parallel ist und bei den Häuslern am größten, müßten sich diese Unterschiede der Erbausstattung bis zur Heirat aller Kinder dann etwas verringern (ein Sachverhalt, den HERZOG nicht analysiert hatte), dagegen die
Unterschiede in den Kinderzahlen in den Kinderzahlen noch stärker ausprägen. Denn V. WEISS konnte zeigen (11), daß zwischen der Zahl der bis zum Heiratsalter überlebenden Kinder und dem Besitz der Eltern, ihrer Klassenzugehörigkeit, eine sehr deutliche Beziehung besteht: Hatten die Erbbegüterten der Kichgemeinde Markersbach ursprünglich 6,8 Kinder pro abgeschlossener Ehe, so stirbt davon die Hälfte und 3,4 Kinder heiraten; von den Handarbeitern (vorwiegend Häuslern), die nur 4,8 Kinder hatten, sterben zwei Drittel und nur 1,6 heiraten. Ist nicht nur der Ehemann, sondern auch dessen Schwiegervater erbbegütert, dann wurden sogar 7,6 Kinder pro Ehe geboren. Verwaisten die Kinder von Häuslern, so waren sie oft Tod und Elend preisgegeben, die Kinder von Bauern dagegen gesichert durch die Erbegelder (10), die der Verkauf des elterlichen Gutes einbrachte (vgl. 170, aber auch den Rückkauf des Gutes durch 191). Zwischen der Zahl der überlebenden Kinder und dem
Sozialstatus ihrer Eltern besteht damit eine bisher zu wenig beachtete Beziehung.
Für eine tieferschürfende Forschung besteht somit die Notwendigkeit, weitere
Primärquellen und Orte auf originelle Weise aufzuarbeiten. Wer kennenlernen
will, was auf diese Weise möglich ist, der nehme die umfangreiche (wenn auch
mehr beschreibende als statistisch-analysierende) Arbeit von H. PETZOLD (12)
über Dorfhain zur Hand, die auf der Grundlage der Totalauswertung aller für das
Dorf vorhandener Quellen zu einem lebendigen Geschichtsbild gelangt. Allerdings
bieten für derartige, die statistische Analyse mit einschließende komplexe
Fragestellungen Orte mit überlieferten bereits verkarteten
KB und vollständigen GB, wie etwa Stangengrün und Kirchberg/Krs.
Zwickau oder Claußnitz östl. Burgstädt, eine weit
bessere Quellengrundlage als Zschocken.
Wir danken den Mitarbeitern der
Staatsarchive Dresden und Leipzig für die Unterstützung der Arbeit und das
freundliche Entgegenkommen. Vor allem auch Herrn Staatsarchivdirektor i.R. Dr. H. Schlechte für das hilfreiche kritische
Gutachten zur Erstfassung des Manuskripts und die Empfehlung zur Drucklegung an
die Historische Kommission der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, deren
Vorsitzender, Herr Prof. Dr. W. Coblenz sich mit Umsicht für eine positive Entscheidung einsetzte und Herrn Dr. habil. K. Blaschke, der für die Drucklegung verantwortlich zeichnete im Auftrage der Kommission. Die Arbeit wäre ohne die Unterstützung durch die Pfarrer und Angestellten der Ev.-luth. Landeskirche Sachsens in der vorliegenden Form undenkbar.
Meine Einstellung im Zentralinstitut für Geschichte der AdW der DDR im April 1984 ermöglichte es mir, diese 1971 als Freizeit-Forschung begonnene Arbeit nunmehr als einen Arbeitsauftrag abzuschließen, wofür ich besonders der Leiterin der Forschungsstelle Regionalgeschichte, Frau Prof. Dr. H. Schultz, danke.
Volkmar Weiss, Leipzig, April 1987
(1)
BLASCHKE, K.:
Bevölkerungsgeschichte von Sachsen bis zur industriellen Revolution. Weimar: H.
Böhlaus Nachf. 1967. - IMHOF, A. E.: Einführung in die Historische Demographie. München: C. H. Beck 1977.
(2)
HOFMANN, M.,
KÖBELE, A. und R. WETEKAM: Von der Kirchenbuchverkartung
zum Ortssippenbuch. Glücksburg: C. A. Starcke 1967.
(3)
WEISS, V.:
Rekonstruktion der Familien des sächsischen Bauerndorfes Zschocken
1540-1720 aus den Gerichtshandelsbüchern und den archivalischen Quellen der Nachbarorte. Archivmitteilungen 31 (1981) 24-25.
(4)
LANGE, A.: Zur Technik der Bauernforschung. Mitteilungen des Roland 18 (1933) 27-29. LANGE, A.: Besitz-, Berufs- und Amtsbezeichnungen sächsischer Bauern. Mitteilungen des Roland 21 (1936) 83-86.
(5)
Zschocken. In: ZÜHLKE, D.: Zwischen Zwickauer Mulde und Geyerschem Wald. Berlin: Akademie-Verlag 1980. S. 38-40 (= Werte unserer Heimat, Bd. 31).
(6)
HÖTZSCH, O.:
Die wirtschaftliche und soziale Gliederung vornehmlich der ländlichen
Bevölkerung im meissnisch-erzgebirgischen Kreise Kursachsens, auf Grund eines Landsteuerregisters aus der
zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts. Leipzig: B. G. Teubner 1900 (= Leipziger Studien aus dem Gebiete der Geschichte VI, 4. Heft).
(7)
FISCHER, W.: Gerade und Heergeräte. Vom Erbrecht unserer Ahnen. Mitteilungen des Roland 23 (1938) 1-6.
(8)
BUTTER, K.:
450 Siedlungsgeschichte des erzgebirgischen Dorfes Zschocken. Teil I: Geschichte der Höfe und Häuser. Maschinenschrift. Hartenstein 1956. Ratsschulbibliothek Zwickau.
(9)
WEISS, V.: Die Verwendung von Familiennamenhäufigkeiten zur Schätzung der genetischen Verwandtschaft. Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift 15 (1974) 433-451. WEISS, V.: Geographische Distanz und genetische Identität von Personen, geschätzt mittels Familiennamenhäufigkeiten der Vorfahren (Erzgebirge, Vogtland 16.-19. Jahrhundert). Mitteilungen der Sektion Anthropologie der DDR 32/33 (1976) 107-115.
(10)
HERZOG, J.:
Die Entwicklung der Grundherrschaft Lampertswalde, Amt Oschatz, während des Spätfeudalismus (16. 18. Jahrhundert) unter besonderer Berücksichtigung sozialökonomischer Bedingungen. Diss. A, Karl-Marx-Universität Leipzig, Sektion Geschichte, Leipzig 1984.
(11)
WEISS, V.: Zur Bevölkerungsgeschichte des Erzgebirges unter frühkapitalistischen Bedingungen vom 16. bis 18. Jahrhundert. Sächsische Heimatblätter 27 (1981) 28-30.
(12)
PETZOLD, H.: Dorfhain in Sachsen. Das Dorf und seine Bewohner. Maschinenschrift. Dorfhain 1983. Sächsische Landesbibliothek Dresden und Staatsarchiv Dresden.
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