Familie und Geschichte 10. Jg. (2001) 145-151.

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Über Familienverbände in Vergangenheit und Zukunft [1]

 

Von Volkmar Weiss [2]

 

Wenn ein langjähriger und rühriger Schriftleiter einer Zeitschrift für „Familie und Geschichte“ im Hause eines Nachkommenvereins eines großen Gelehrten ein Jubiläum begeht, scheint es nicht unangebracht, sich zur gesellschaftlichen Rolle der Familie zu äußern. Als Genealogen bewegt uns dabei weniger die einzelne Kernfamilie, sondern der verwandtschaftliche Zusammenhang von Familien über Generationen hinweg und ihr gemeinsames, auf Verwandtschaft gegründetes Handeln, das in verschiedenen Formen von Familienverbänden erfolgen kann.

Die Mehrzahl unserer Zeitgenossen dürfte der Meinung sein, daß es völlig unnütz sei, heute etwas Geistreiches zur Rolle von Familienverbänden beitragen zu wollen. Das vergangene 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert einer beipiellosen Individualisierung, weg von der Familie und von Bezügen auf eine größere Gemeinschaft, wie sie in der ersten Hälfte des Jahrhunderts auch das eigene Volk noch war. Die Höhe der erreichten Scheidungsziffern, der Anteil der nur mit einem Elternteil aufwachsenden Kinder, die geringe Zahl von geborenen Kindern überhaupt und die allerletzten Errungenschaften, wie die „Homo-Ehe“, lassen es als völlig überflüssig erscheinen, über Familienverbände zu räsonieren. Denn auch die weitere Entwicklung deutet eher auf Verstärkung der Individualisierung hin als auf eine Stärkung der Familienbande hin: Wer ein Kind will, wird es (oder auch nur den fehlenden Zeugungspartner oder Lebensabschnittsgefähren) sich bald im Versandhaus bestellen oder klonen lassen können, mit oder ohne „Stammbaum“. Das alles wird so weit getrieben werden, daß es vermutlich spätestens in der Mitte des 21. Jahrhunderts eine kraftvolle Gegenbewegung auslösen wird, die wieder neue Werte setzen wird. Denn paradoxerweise bedeutet mehr Individuum auch immer mehr Staat: Die Regeln, die früher in überschaubaren Gemeinschaften gültig waren, werden heute durch Gesetze und Beamte ersetzt; die Sicherheit, die früher die Familie gegeben hat, soll heute die Pflegeversicherung bieten. [3]

Doch ist nicht die gesamte Gesellschaft in diesen Verfallsprozeß einbezogen, der sich unaufhaltsamer Fortschritt nennt. Zwar löschen die über 40% der Frauen mit akademischer Ausbildung, die heute in Deutschland kinderlos bleiben [4] , sich und ihre Wertevorstellungen schon binnen einer Generation aus und auch ihre Gene, doch gibt es aus den verschiedensten Gründen und Wertevorstellungen auch heute noch Mütter und Väter und Großmütter und Großväter mit mehreren Kindern und zahlreichen Enkeln. Die Wertevorstellungen dieser Minderheiten werden daher zwangsläufig wieder an Gewicht gewinnen, weil die anderen, die Mehrheit, die heute weitgehend die öffentliche Meinung bestimmt, sich von dieser Erde verabschiedet haben wird. Es gibt inzwischen keinen europäischen Bevölkerungswissenschaftler mehr, der nicht die Öffentlichkeit und seine Regierung davor zu warnen versucht [5] , daß die europäischen Staaten sehenden Auges in eine beispiellose Krise hineingehen. Mit Kinderzahlen von 1,1 in Italien und Spanien und 1,3 in Deutschland pro Frau fehlen mindestens ein Drittel der Bevölkerung. In den sich leerenden Raum drängen Einwanderer nach, die aller Wahrscheinlichkeit nach in der Mehrzahl aus Nordafrika und dem Nahen Osten kommen werden und islamischer Religion bzw. islamisch gepägter Herkunft sind. Daß eine derartige Massenzuwanderung zu schweren inneren Konflikte führen kann oder wird, läßt sich ahnen, woraus folgt, daß wir in der Gegenwart in einer politischen Ruhe leben, um die uns unsere Enkel beneiden werden. Auch diese Vorahnung [6] läßt vermuten, daß Gegenwerte zu Markt und Konsum wieder einmal eine größere Rolle spielen könnten. Wir wollen in Mitteleuropa keine afghanischen Verhältnisse, und gerade deshalb sollten wir uns überlegen, welche Werte wir vertreten müssen, um eine freiheitliche, abendländische Kultur zu bewahren, in die auch zahlreiche Einwanderer integriert werden können und müssen. Welche mögliche Rolle spielen dabei Familie und Familienverbände?

Der Blick in die Zukunft wird dabei durch den Blick in die Vergangenheit eher verstellt, statt erhellt. Wenn wir an die Familienverbände in der Geschichte denken, fällt uns zuerst der alte Adel ein. Die Familienverbände der ständischen Gesellschaft hatten den Zweck, Macht, Besitz und Rechtsansprüche innerhalb des Namensstammes oder wenigstens innerhalb der durch Heirat verwandten Stämme zu erhalten und zu mehren. Auf Leistung im bürgerlichen Sinne waren diese Ansprüche nicht oder nur in geringem Maße gegründet. Das hatte zur zwangsläufigen Folge, daß diese Familienverbände des alten Adels mit der Entstehung der bürgerlichen Leistungsgesellschaft nicht nur in Frage gestellt worden sind, sondern ihr auch juristisch die Grundlagen entzogen worden sind. Auch das erfolgreiche Bürgertum sah lange Zeit ein wichtiges Ziel daran, in den Adel aufzusteigen und bildete Familienverbände, deren Zweck sich von der des alten Adels wenig unterschied. Diese Absicht, Macht und Besitz auch über Generationen hinweg zu tradieren, die sie durch ihre eigene Leistung gar nicht verdient hatten, sondern nur von ihren Vätern ererbt und die sich durch ihre eigenen Fähigkeiten und Leistungen nicht oder nur in geringem Maße von der Menge abhoben, stieß schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf den entschiedenen Widerstand nicht nur der Sozialisten und Kommunisten, sondern auch liberaler Bürger, die davon ausgingen, daß jeder vor allem nur das besitzen sollte, was er selbst geschaffen hat.

Ihren Ausdruck fanden diese sozialen Auseinandersetzungen in einem jahrhundertelangen Kampf, in dem schließlich nicht nur die feudalen Familienfideikommisse zerschlagen worden sind, sondern darüber hinaus auch bürgerlichen Familienstiftungen jede vernünftige wirtschaftliche Grundlage entzogen worden ist. Nachdem bereits von der Französischen Revolution die Fideikomisse in Frage gestellt worden waren, war in dem 1849 von der Frankfurter Paulskirchenversammlung erarbeiteten Grundrechten des deutschen Volkes im Entwurf der Reichsverfassung die Auflösung der Familienfideikommisse vorgesehen. Aber erst auf der Grundlage der Weimarer Verfassung erging am 11.8.1919 die klare Bestimmung: „Die Fideikommisse sind aufzulösen.“ Der verfassungspolitische Durchbruch zur Demokratie war damit konsequenterweise mit dem Abbau der Institutionen verbunden, die in der historischen Entwicklung einem Stand in Staat und Gesellschaft ein Übergewicht über die anderen Stände verliehen hatte, und das waren Fideikommisse und Familienstiftungen. Das Fideikommißverbot [7] , wie es in modernen Staaten (darunter auch in der Schweiz) durchgesetzt worden ist, sollte das System von Erbfolgen verhindern, in der die Verfügungsfreiheit der Erben eingeschränkt wird und Vermögenswerte in den nachfolgenden Generationen auschließlich zugunsten der Namens- bzw. Stammlinie sichergestellt werden. Obwohl die Familienstiftung einem ähnlichen Zweck dient, nämlich den Interessen einer  Familie bzw. eines Nachfahrenverbandes, unterscheidet sie sich vom Fideikommiß dadurch, daß sie kein dem allgemeinen Rechtsverkehr entzogenes Sondervermögen darstellt, das vom jeweiligen Erben beherrscht wird. Die Familienmitglieder haben teil an dem Vermögen der Familienstiftung und ihren Erträgen und zwar auf Grund ihrer satzungsmäßigen Rechte und gewisser in der Satzung festgelegter Möglichkeiten des Einflusses auf die Verwaltung.

Von der Öffentlichkeit wenig beachtet, wurde auch die Familienstiftung ein Opfer der antikapitalistischen Strömung, die wir als 1968er bezeichnen. Der Übergang von Vermögen auf eine Stiftung, sei es durch Übergang unter Lebenden oder von Todes wegen, war und ist ein besteuerbarer Vorgang. Bis 1974 war jedoch das Vermögen von Familienstiftungen nach einem solchen Vermögensübergang über mehrere Generation der Erbschaftsteuer entzogen und zwar bis zum Zeitpunkt ihrer Auflösung. 1974 jedoch ist im Zuge des Erbschaftssteuerreformgesetzes der Bundesrepublik Deutschland die Erbersatzsteuer erfunden worden. Mit der Erbersatzsteuer wird für Familienstiftungen alle 30 Jahre eine Schenkung in Höhe des gesamten Stiftungsvermögens fingiert, die erstmals 30 Jahre nach Gründung der Stiftung zu einer Steuerpflicht führt bzw. zur Wegsteuerung des Stiftungsvermögens. Damit wurde die „systemwidrige Privilegierung“ der Familienstiftung, wie es hieß, abgeschafft [8] , und die Institution ist seither ziemlich bedeutungslos. Die gilt auch für die uns als Genealogen bekannten Familienverbände, in denen noch Familientraditionen und der Zusammenhalt von Generationen und Verwandten mehr oder weniger gepflegt wird.

Soll man das als Genealoge und Demokrat bedauern? Vielleicht, aber warum und unter welchen Voraussetzungen?

Die in der Folge der Novemberrevolution 1919 erlassene Bestimmung über die Auflösung der Fideikommisse ist auch von den Nationalsozialisten umgesetzt worden, ja durch das Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse vom 6.7.1938 sogar beschleunigt worden. Es war zwar in den Jahren ab 1933 viel von notwendigen neuen gesetzlichen Regelungen für Familienverbände und -stiftungen geschrieben worden [9] , jedoch war bis 1945 nichts davon in Gesetzesform gegossen worden und die Modernisierung zu einer Leistungsgesellschaft ungebrochen fortgesetzt worden. Der sozialrevolutionäre Schwung, der Teilen der durch innere Widersprüche zerrissenen nationalsozialistischen Partei eigen war, hatte darüber hinaus noch eine ganz andere Zielrichtung, die in dieser Art und angestrebten Konsequenz in der Welt einmalig und erstmalig war. Der Buchtitel „Neuadel aus Blut und Boden“ von Darré ist symptomatisch für ein Programm, in dem sich Elemente von genealogisch verbrieftem Erbhof und auf Menschen angewandte Viehzucht miteinander kombinierten. Noch klarer hat das im Heiratsbefehl der SS seinen Ausdruck gefunden, die sich nach Himmlers und Darrés Willen als ein Orden verstehen sollte, der auf einer ganz im Sinne der Viehzucht verstandenen Leistungszucht gegründet werden sollte. Die Kombination dieser Ideen mit einem fanatischen Antisemitismus und der Untergang der SS im Krieg haben dazu geführt, daß die einzelnen Elemente dieser Ideologie [10] bisher als untrennbar erscheinen und als untrennbar in verbrecherischer Weise miteinander verknüpft.

Das ist ein Punkt, an dem ich zu zweifeln wage, ob es künftigen Generationen in ihrer Gänze auch stets so erscheinen wird, daß alle diese Elemente (also Adelsgedanke bzw. geschlossener Heiratskreis, bäuerliche Siedlung, Partnerwahl mit quasi-wissenschaftlichem Hintergrund plus Rassismus, Antisemitismus und Organisation durch den Staat) eine untrennbare Einheit bilden und ob sich nicht zwei oder drei der erstgenannten Elemente (also die vor dem Plus) aus dem Ideenkonglomerat von 1932 lösen und mit anderen Vorstellungen kombinieren lassen.  Damit ich nicht falsch verstanden werde: Diese Zweifel meinerseits sind keine Empfehlung und keine Entschuldigung, sondern nur ein geistiges Ausloten dessen, was die Zukunft an Möglichkeiten enthalten könnte. Dieses Ausloten erscheint berechtigt angesichts des Entwicklungsstandes, den die Humangenetik und Reproduktionsmedizin heute erreicht haben. [11] Vor 24 Jahren war von mir unter einem Pseudonym ein Papier mit dem Titel „Eugenik, Staat und Clan“ geschrieben worden, aus dem ich im folgenden zitiere: „Eugenik als Begriff und Programm gibt es seit etwa drei Generationen, aber wirksame Veränderungen hat die ‘eugenische Bewegung’ bisher kaum erreicht und schon gar nicht in dem Umfang, den ein Francis Galton ihr gewünscht hatte. Die Eugenik konzentrierte sich von Anfang an darauf, ihre Ziele durch den Eingriff des Staates in die Entscheidungsfreiheit des Individuums zu erreichen, und Eugenik sollte durch staatliche Gesetze, Reformen und Beihilfen befördert werden. Bei diesen Versuchen, Einfluß auf die Gesetzgebung des Staates und damit auf die Politik zu gewinnen, geriet die Eugenik unweigerlich in das Fahrwasser totalitärer Bestrebungen, die darauf hinausliefen, die Freiheit des Individuums bei der Wahl des Ehepartners und der Zahl der Nachkommen einzuschränken. ... Wenn es nach diesen Erfahrungen als aussichtlos und fragwürdig erscheint, Eugenik durch staatliche Gesetze voranzubringen, so könnte man fragen, ob es noch unbegangene Wege gibt. Nehmen wir an, eine Gruppe Menschen - nennen wir sie kurz einen Clan (oder meinetwegen Familienverband) - wüßte heute oder wäre sich einig, wie sie sich zu verhalten hätte, damit sie und noch mehr ihre Nachkommen kraft ihrer Intelligenz, ihrer Kreativität und damit ihres Einflusses, ihres Einkommens und Besitzes, ihrer Gesundheit, Langlebigkeit, ihrer Kultur, vielleicht ihrer Religion oder Weltanschauung diese ihre Werte erhalten und ständig mehren könnte, ohne daß ihre Ziele und Werte mit denen des jeweiligen Staates der Gesellschaft in Übereinstimmung zu sein brauchen und ohne daß durch staatliche Gesetze eine direkte Förderung des Clans und seiner Werte in absehbarer Zeit zu erwarten wäre. Was gäbe es für Möglichkeiten?

Positive Eugenik bedeutet immer die Veränderung der Natürlichen Selektion und der Darwinschen Fitness in eine bestimmte Richtung. Theoretisch gäbe es viele Möglichkeiten [12] , wie ein Clan sein Evolutionstempo erhöhen sich biologisch durchsetzen könnte: relativ hohe Kinderzahlen, selektive Partnerwahl, selektiver Abort, Polygamie, heterologe Insemination und Surrogat-Mutterschaft - aber bereits diese Beispiele enthalten Elemente, die einerseits selbstverständlich (selektive Partnerwahl), andererseits fragwürdig oder gesetzlich ungeklärt wären oder für den einen oder anderen Clan ethisch unannehmbar sein dürften (wie z.B. die heterologe Insemination und die Surrogat-Mutterschaft). Als Mindestprogramm für einen jeden sich selbstzüchtenden Clan bliebe der Ausschluß der Nachkommen, die nicht den selbstgestellten Normen entsprächen. Das aber wäre nichts anderes als der Rückgriff auf das Grundgesetz des alten Adels, diesmal aber auf einer höheren Stufe, sozusagen wissenschaftlich untersetzt. Dennoch wäre dieser Punkt als unabdingbare Forderung einer inneren Gesetzgebung zugleich der schwierigste und problematischste, denn die Haltung zum Ausgeschlossenen wäre zugleich der Gradmesser, an dem die Haltung des Clans zum Mitmenschen gemessen würde. Es wären schrittweise Übergänge vorstellbar, bei denen die Ausgeschlossenen assoziiert sind, d.h. an den Familienfeierlichkeiten usw. teilnehmen (wie das bei den Vereinen des alten Adels auch heute der Fall sein kann), ohne die Förderung von Vollmitgliedern aus den Finanzmitteln des Clans zu erhalten und ohne Vollerben zu sein, aber noch die Nachkommen den Status der Vollmitgliedschaft zurückerlangen können, wenn sie wieder den Normen entsprechen, bis hin zur völligen Schließung des Heiratskreises als Schlußstadium einer möglichen Entwicklung (Vollmitglied kann dann nur sein, dessen beide Eltern Vollmitglieder waren und der selbst den Normen entspricht), wobei Fusionen bzw. Heiratsabkommen zwischen verschiedenen Clans vorstellbar wären, ebenso aber Teilungen zweckmäßig, wenn eine bestimmte Zahl an Kernfamilien überschritten worden ist. So vielfältig die Traditionen und Kulturen sind, so wären ebenso vielfältige Formen von Normen und Satzungen von sich selbstzüchtenden Clans denkbar. ...  Clan gründet sich zweifellos auf Vermögen und Einfluß. Er würde versuchen - im Rahmen des geltenden Vereinsrechts als einziger derzeit erkennbaren Grundlage und anzustrebendem Ausbau dieser Rechte - den Vollmitgliedern eine Unterstützung und Förderung zu bieten, die über die vom Staat gebotene fühlbar hinausgeht (also Beihilfen für Familien, Stipendien, Urlaubsziele, gesellige Veranstaltungen, Beziehungen, Alterssicherung). Als reiner Familienverband sollte sich ein Clan niemals vordergründig politisch engagieren (das steht seinen Individuen frei), Abstand zur Tagespolitik halten, seine Satzung und Ziele nicht öffentlich propagieren und bei Gefahr das Überleben der Einzelpersonen höher werten als das Überleben der Institution. Clans könnten sich aus berufsständischen Organisationen, durch freie Werbung aus einem Freundeskreis, Vereinen wie „Mensa“ oder aus schon bestehenden Sippen- oder Familienverbänden entwickeln. Der Unterschied zu den heute schon bestehenden Verbänden bestände in der Selbstzucht, d.h. in der Rolle, die die Genetik und biologische Evolutionstheorie bei der Ausarbeitung der Satzung [13] spielen könnten. ... Die Evolution des Menschen braucht kein vorwegbestimmtes einheitliches Ideal, sondern eine Vielzahl auf die Entscheidungsfreiheit leistungsfähiger Individuen gegründete überschaubare Gemeinschaften, die sich selbst selektieren und wirtschaftlich miteinander konkurrieren, so könnte irgendwann einmal ein Programmpunkt lauten.“ Zu jeder Zeit wird es ebenso politische Programme geben, die andere oder völlig entgegengesetzte Ziele stellen oder diese Überlegungen hier für Unsinn oder gar gefährlichen Unfug halten.

Aus dieser Sicht würde der Globalisierung eine teilweise Tribalisierung [14] der Welt entgegenwirken, die auch eine Art Refeudalisierung wäre. Die Postmoderne könnte geprägt werden durch das Wiederauftauchen von überschaubaren Gemeinschaften, jetzt aber in einem Kontext von Spitzentechnologie und weitreichendem Austausch. Während die Neuadelsbewegung der Zwanziger Jahr einem bäuerlichen Siedlungsideal nachstrebte, das angesichts der zwei oder vier Prozent der Arbeitskräfte, die heute in Industriestaaten noch notwendig sind, die Nahrung für alle zu erzeugen, von Anfang an utopisch war, könnten die neuen Gemeinschaften sowohl auf der Grundlage von Spitzenberufen der Hochtechnologie als auch in eher traditionellen Bereichen entstehen, differenziert nach Ziel und zugrundeliegendem Glauben und sowohl lokal als auch überregional.

 

Man möge mit bitte meinen Ausflug von den Familienverbänden in die Science Fiction verzeihen; ich hoffe, die geistige Lockerungsübung war anregend. Wenn wir sie leider auch nicht erleben werden, so wird doch auch die Zukunft spannend werden und von Gegensätzen geprägt sein

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[1] Überarbeitete Fassung eines Vortrags, gehalten am 25.8.2001 im Adam-Ries-Haus in Annaberg-Buchholz anläßlich des Ehrenkolloquiums zum 70. Geburtstag von Wolfgang Lorenz.

[2] PD Dr. Dr. habil. Volkmar W e i s s, Leipzig;  volkmar-weiss@t-online.de, www.v-weiss.de

[3] de Benoist, Alain: Schöne Vernetzte Welt. Eine Antwort auf die Globalisierung. Tübingen : Hohenrain 2001; Die Auflösung der sozialen Bindung, S. 207-240.

[4] Weiss, Volkmar: Die IQ-Falle: Intelligenz, Sozialstruktur und Politik. Graz: Leopold Stocker 2000.

[5] Z.B. ist die gesamte Nummer 74 (Juni 2001) der französischen Zeitschrift „Géopolitique. Revue de l’Institut International de Géopolitique“  dieser Problematik gewidmet.  - Vgl. auch : Schmid, Josef : Bevölkerungswachstum und internationales Konfliktpotential – vom ideologischen zum demographischen Jahrhundert. Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft 25 (2000) 477-494.

[6] In DIE ZEIT vom 23.8.2001 gibt  auf S. 56 Franz Fischer, seit  1995 EU-Kommissar  für  Landwirtschaft, seine Zukunftsvisionen – datiert ins Jahr 2051 - zum besten: „Die Reichen wurden immer reicher, die vielen wurden aus der Wohlstandsenwicklung zusehends ausgeklammert. Das führte 2030 zu Aufständen, einer Revolution. Es gab viele Tote. Einen Bürgerkrieg.“ – Vgl. auch: Weiss, Volkmar: Gesellschaftsprognose – auch eine Aufgabe für Historiker? In: Festschrift zum 65. Geburtstag von Hartmut Zwahr. München: Saur 2001. 

[7] Eckert, Jörn: Der Kampf um die Familienfideikommisse in Deutschland. Studien zum Absterben eines Rechtsinstitutes. Frankfurt/M.: P. Lang 1992 (= Rechtshistorische Reihe 104).

[8] von Trott zu Solz, Thilo: Erbrechtlose Sondervermögen: Über die Möglichkeiten fideikommißähnlicher Vermögensbindungen. Frankfurt/M.: P. Lang 1998 (= Europäische Hochschulschriften II/2544).

[9] Schubert, Werner (Hrsg.): Das Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus. Paderborn: Schöningh 1993. - Wölbling, Paul: Das Sippenvermögen. Eine Beitrag zum Wiederaufbau des deutschen Sippenrechts. Berlin: F. Vahlers 1941.

[10] Weiss, Volkmar: Die Vorgeschichte des arischen Ahnenpasses. Teil III: Die Machtergreifung der Viehzüchter. Genealogie 50. Jg. (2001) 615-627. – Wie sehr um 1923, als Darré und Himmler, ihre Gedankenwelt aufbauten, derartige Vorstellungen Zeitgeist waren, läßt sich an weiteren Beispielen belegen: Völlick, B.: Aufbau biologischer Ahnentafeln. Pester Bruchdruckerei 1923, auf S. 22. „So und nur so ist es möglich, dass wir in der menschlichen Geschichte das Zeitalter des Übermenschen und einer uns derzeit noch utopistisch  erscheinenden Welt verzeichnen werden können.“ – Der im Jahre 2000 verstorbene Genealoge Hans Mahrenholtz schrieb 1993, wie er 1923 als Vierzehnjähriger zur Genealogie kam: „Als ich einen auf unser Gut zu Besuch gekommenen Onkel durch die Stallungen führte, wo wir eine Reihe von eingetragenen Herdbuch-Kühen stehen hatten und ihm voll Stolz die Namen und Abstammung der Tiere mitteilte, fragte er mich am Ende der Besichtigung: ‚Weißt Du denn in Deiner lebendigen Verwandtschaft ebenso gut Bescheid?’ Ich mußte das beschämt verneinen, aber mein Interesse dafür war nun geweckt.“ Zitiert aus: Mahrenholtz, Hans: Nachrichtenblatt der Familien Mahrenholtz 69 (2001, sic) 299.

[11] Man gebe nur einmal in eine Suchmaschine im Weltnetz Begriffskombinatioen wie „eugenics – clan - IQ“ ein und wird überrascht sein, was da weltweit alles gedruckt und publiziert wird, vor allem in den USA, z.B, unter  http://home.att.net/~eugenics/index.htm

[12] Whithney, Glayde: Reproduction technology for a new eugenics. The Mankind Quarterly 40 (1999) 179-192.

[13] Es erscheint nur noch eine Frage der Zeit, bis man im Weltnetz die ersten derartigen Mustersatzungen und Aufrufe zur Mitgliedschaft finden kann.

[14] Maffesoli, Michel: La transfiguration du politique. La tribalisation du monde. Paris: Grasset 1992.

Ergänzung am 13.5.2002: Tatsächlich findet man die erste Satzung einer selbstzüchtenden Gemeinschaft inzwischen unter www.prometheism.net

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