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Im Juni 1925 gab es im Deutschen Reich 564 379 Juden. Das waren 0,9% der Gesamtbevölkerung, in Preußen 1,1%, wobei ihr Anteil in Preußen (das ja früher polnische Gebiete mit einschloß) rückläufig war und um 1870 1,3% betragen hatte. Hatte man 1871 in der Provinz Posen 62 000 Juden gezählt, waren es 1910 nur noch 26 000. Das Wanderungsziel war zumeist Berlin.  „Unter den hochindustrialisierten Ländern Europas hatte Deutschland bei weitem die meisten Juden, und zwar schon seit den ersten Jahrzehnten der Industrialisierung des europäischen Kontinents“, schreibt Bennathan (1966, S. 88) in seiner Arbeit über „Die demographische und wirtschaftliche Struktur der Juden“. Wir stützen uns bei den folgenden statistischen Angaben gern auf diese Arbeit, da es eine jüdische Quelle ist und sie in einem Sammelband über das politische „Entscheidungsjahr 1932“ enthalten ist und die Probleme genau in dem sozialen Kontext zu erfassen sucht, mit dem wir uns hier Kapitel für Kapitel befassen.

In Berlin waren damals 4,3% der Bevölkerung Juden, wobei es wiederum zu Konzentrationen in bestimmten Stadtteilen kam: Charlottenburg hatte 17% Juden, Wilmersdorf 16,5%, Mitte 15%, Prenzlauer Berg 11%, Schöneberg 10%. In Berlin lebten allein 31% aller deutschen (und 48% aller preußischen) Juden. In Hamburg waren 1,8% der Bevölkerung Juden. Insgesamt war der Anteil der Juden an der Einwohnerzahl von Großstädten über 100 000 Einwohner zweieinhalbmal so groß wie ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung. Neben Berlin und Hamburg waren Frankfurt am Main, Breslau, Köln, Leipzig und München weitere Schwerpunkte des jüdischen Lebens. Insgesamt lebte allein die Hälfte der Juden in diesen 7 Städten. Dabei waren schon seit 1880 die Geburtenzahlen der Juden, als einer Bevölkerung mit starkem Bildungsbürgeranteil und deshalb mit früh einsetzender Geburtenbeschränkung, niedriger als bei den Deutschen. Deshalb war es seit 1880 zu keiner Erhöhung des relativen Bevölkerungsanteils der Juden mehr gekommen. Eine absolute Zunahme ihrer Personenzahl fand nur noch durch Zuwanderung statt. Bereits 1918 kam deshalb eine „Statistik der Juden“ (Knöpfel 1918) zu dem Schluß: „Es zeigt sich ..., daß die Juden in vielen sozialen Beziehungen gewissermaßen ihrer Zeit vorauseilen und soziale Veränderungen bereits ausgereift aufweisen, die bei den andern Völkern erst im Keim vorhanden sind. ... In fast allen europäischen Staaten haben Industrie und Handel im 19. Jh. gegenüber der früher allein bedeutsamen Landwirtschaft an Wichtigkeit gewonnen, hat der Wohlstand, die hygienische Fürsorge und die Volksbildung zugenommen, haben die großen Städte einen immer erheblicheren Teil der Bevölkerung an sich gezogen. Alle diese Veränderungen auf wirtschaftlichem Gebiete haben die Juden, die schon von jeher eine vorwiegend städtische, dem Handel und der Industrie angehörige Bevölkerung waren und im 19. Jh. durch besonders intensive Anteilnahme an dem modernen kapitalistischen Wirtschaftsleben zu verhältnismäßigem Wohlstande gelangten, den Christen vorweggenommen. Da aber auch die meisten anderen sozialen Erscheinungen, nicht nur die Geburtenrate, sondern auch die Sterblichkeit, die Binnenwanderungen ... usw., von jenen wirtschaftlichen Veränderungen beeinflußt werden, so kommt es, daß auch hier die Juden gewissermaßen das Barometer für die übrige Bevölkerung sind und Zustände schon jetzt zeigen, die bei jener erst in der Zukunft zu erwarten sind.“

Die Juden, die in Deutschland seit 1880 vor allem aus Galizien (damals bekanntlich ein Teil von Österreich-Ungarn) nach Sachsen zugewandert waren - nachdem es dort zu Aufrufen zum Wirtschaftsboykott gegen jüdische Geschäfte gekommen war und sich die Perspektiven der Juden verschlechtert hatten - besaßen häufig nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Waren 1900 7% der Juden im staatsrechtlichen Sinne Ausländer, so waren es 1933 19,8% (Bennathan 1966). Bei den neu Zugewanderten waren besonders viele ohne deutsche Staatsangehörigkeit: In Berlin 29,9%, in Dresden 60,7% und sogar 73,9% aller Juden Leipzigs. 1925 waren unter den Juden Sachsens schätzungsweise 65% erst in den letzten Jahrzehnten Zugewanderte. Bei den Verfolgungen waren diese Juden ohne deutsche Staatsangehörigkeit auch eine der ersten Zielgruppen, und sehr viele von ihnen sind erst einmal 1938 nach Polen abgeschoben worden, um dann dort nach der Besetzung Polens 1939 erneut in den Machtbereich des deutschen Nationalsozialismus zu gelangen. Eine körperliche Vernichtung aller Juden, deren man habhaft werden konnte, war bis Kriegsausbruch 1939 nicht geplant worden. Ob insgesamt das Problem des Zusammenlebens von Deutschen und Juden zwischen 1933 und 1945 in andere Bahnen gelenkt worden wäre, wenn fast alle Juden 1933 die deutsche Staatsangehörigkeit allein oder als doppelte Staatsangehörigkeit besessen hätten, mag bezweifelt werden.

Schon 1918 trat Nossig der weitverbreiteten Auffassung entgegen, daß „die weitaus überwiegend Majorität der Auswanderer sich aus gänzlich besitzlosen und unqualifizierten Personen“ zusammen setzen würde, aus „Kleinhändlern und Luftmenschen, die im Einwanderungsland den erstbesten Erwerbszweig ergreifen. ... Die Hauptmasse der jüdischen Auswanderer bestand aus qualifizierten Arbeitern. ... Durch diese Zusammensetzung unterscheidet sich die jüdische Emigration von der aller anderen Völker. Unter den Italienern findet man 2 mal weniger qualifizierte Arbeiter, unter den Deutschen und Engländern 3 mal, unter den Polen 8 mal weniger.“

Auch die nach Deutschland zugewanderten Juden waren, wie Fernwanderer oft, eine aktive Auslese und nach ihrer Berufszugehörigkeit (siehe z.B. Leipziger Jüdisches Jahr- und Adressbuch 1933) kann auf einen mittleren IQ von 115 der etwa 15 000 Leipziger Juden um 1932 geschlossen werden (also etwa wie heute der mittlerer IQ der Juden in den USA; vgl. Herrnstein und Murray 1994, Weyl und Weitz 1986, Mac Donald 1994). Das entspricht einer Genfrequenz des Allels M1 von etwa O,6 gegenüber etwa 0,2 in der deutschen Bevölkerung. Die drei Typen der Intelligenz sind damit unter den europäischen und amerikanischen Juden völlig anders gegenüber der übrigen Bevölkerung verteilt: Etwa ein Drittel sehr Intelligente, etwa die Hälfte Mittelmäßige, etwa 15% Einfache. (Die Vergleichszahlen der übrigen weißen Bevölkerung sind bekanntlich 5% : 27% : 68%.) Bereits 1890 besuchten in Berlin (wo der Bevölkerungsanteil der Juden 4% war) 25% der jüdischen Kinder eine höhere Schule. 1905/06 waren 25% aller Jura- und Medizin-Studenten an deutschen Universitäten Juden.

1905 zahlten die Juden in Berlin durchschnittlich 357 Mark Einkommensteuer, die Protestanten 133 Mark, die Katholiken 111 Mark. 1929 war das Durchschnittseinkommen der Berliner Juden etwa doppelt so hoch wie das der anderen Berliner Einwohner. Aber auch unter den Juden gab es eine arme Minderheit, die vor allem aus Einwanderern bestand, die in den letzten Jahren aus Osteuropa zugewandert waren und für die von jüdischen Organisationen Sozialhilfe geleistet wurde. Der relative Wohlstand vieler Juden war der Ausgangspunkt für die Auswanderungssteuer, die 1933 bis 1939 viele von ihnen zahlen mußten und konnten: Insgesamt nahm das Deutsche Reich auf diese Weise 3,5 Milliarden Mark ein, weitere Vermögenswerte im Wert von etwa 7 - 8 Milliarden Mark (natürlich  nach damaligen Preisen) wurden enteignet (Gordon 1984, S. 16).   

1931 (S. 417) schrieb Lenz im deutschen Drei-Männer-Standard-Werk der "Menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene": "Den einseitigen ‘Antisemitismus’ des Nationalsozialismus wird man natürlich bedauern müssen. Es scheint leider, daß die politischen Massen solche Anti-Gefühle brauchen, um zur Aktivität zu kommen." Um dann aber 1936 (Baur, Fischer und Lenz, S. 766) festzustellen: " Unser deutsches Volk ist - oder wie man jetzt glücklicherweise wohl sagen darf, war - hauptsächlich durch die Mischung mit Juden bedroht." Eine andere Meinung wäre den bis 1945 weiterhin glänzenden beruflichen Karrieren von F. Lenz und E. Fischer und damit den Lebensbedingungen ihrer Familien auch sehr abträglich gewesen. Tatsächlich war die Assimilation - wir würden heute sagen: die Integration - der Juden 1933 schon in vollem Gange gewesen. Zwischen 1920 und 1930 lebten nicht weniger als 17,5% der Juden in Mischehen, mit deutlich steigender Tendenz (Bennathan 1932), denn 1932 heirateten bereits 36% aller Juden Nicht-Juden. Eine vernünftige Politik hätte wahrscheinlich diese fortschreitende Assimilation begrüßt und zu befördern versucht (und wäre dabei auf den Widerstand bestimmter jüdischer und deutschnationaler Kreise gestoßen), anstatt die Mischehen als Bedrohung zu deuten und zu empfinden. Mit den Nürnberger Gesetzen 1936 wurden Mischehen bekanntlich sogar verboten. Jüdische Autoren (Gordon 1984) gehen davon aus, daß diese - anfangs nicht gewalttätige - Zurückdrängung der jüdischen Wettbewerber von weiten Teilen der deutschen Bevölkerung gebilligt worden ist. 

Trotz dieser Anpassung an den Zeitgeist versuchte Lenz dennoch, auf wissenschaftlicher Objektivität in Sachaussagen zu beharren, und er schreibt und belegt weiterhin (Baur, Fischer und Lenz 1936 (sic!), S. 750): "Aber daß die Juden im Durchschnitt intellektuell begabter sind als der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung, läßt sich meines Erachtens nicht bestreiten", und er wagt darüber hinaus, die geringere Kriminalität bei Juden (und das gilt ja für alle Bevölkerungsgruppen mit einem überdurchschnittlichen IQ) statistisch zu belegen. (Daß diese Sätze dann ab 1937 gelegentlich auch von einfachen NSDAP-Parteigenossen gelesen worden sind, die darüber „sehr verwirrt“ waren und bei Parteistellen nach Aufklärung verlangt haben, wäre ein Kapitel für sich.) Tatsächlich waren mit Stichtag 16.6.1933 10,9% aller Ärzte im Deutschen Reich Juden und 8,6% der Zahnärzte. Bei den Maklern und Kommissionären betrug der Anteil der Juden 15,1%, bei den Rechtsanwälten und Notaren 16,3%. Der Anteil von jüdischen Firmen am Lebensmittelhandel 5%, jedoch 62% am gesamten Einzelhandelsumsatz des Bekleidungshandels. Die Privatbanken waren zu 45% in jüdischer Hand, in Berlin (1923) zu 75% (Bennathan 1966). Während nach der Reichsstatistik von 1933% 80% aller jüdischen Erwerbspersonen Selbständige und Angestellte waren, aber nur 9% Arbeiter, waren es bei den Deutschen 29% Selbständige und Angestellte und 46% Arbeiter. In die Deutschland, wo die Juden - die Zahl noch einmal zur Erinnerung aufgerufen, weniger als 1% der Bevölkerung stellten - kontrollierten sie zwischen 1928 und 1932 etwa 25% des gesamten Handels und stellten 50% der 234 deutschen Theaterdirektoren, in Berlin sogar 80% (Gordon 1984, S. 14). Um 1930 ist die antisemitische Literatur voll von Angaben über Vetternwirtschaft an bestimmten juristischen und medizinischen Fakultäten, und nicht alle Angaben dürften frei erfunden sein.

Wie verhält sich im Kreislauf der Eliten eine Bildungselite und zugleich eine Minderheit, die von der etablierten politischen Macht praktisch völlig ausgeschlossen ist, so wie es die Juden im Deutschen Reich um 1871 waren? Bitte, lesen Sie zur Beantwortung dieser Frage noch einmal ganz vorn die dafür zeitlose Gebrauchsanweisung nach, die Orwell dem Renegaten mit dem jüdischen Namen Goldstein in den Mund legt. Von 1893 bis 1914 waren auf der Ebene des Deutschen Reiches 400 Juden politisch aktiv und weitere 1500 auf unteren Ebenen der Politik. Im Reichstag stellten sie in diesem Zeitraum 1,7% aller Abgeordneten. Von 1893-1916 waren 72% aller jüdischen Reichtagsabgeordneten Abgeordnete der SPD, und sie verfolgen damit genau die Zugewinnstrategie, die man von einer Elite erwarten darf, deren Macht geringer ist als ihr tatsächliches Können und Vermögen. Die jüdische Bevölkerung selbst unterstützte nur mit 19% ihrer Stimmen die SPD und verhielt sich damit eher konform zu ihrer eigentlichen sozialen Lage (Gordon 1984, S. 20). Jedoch wurde dieses Verhalten der gemäßigten jüdischen Mehrheit nach außen wenig sichtbar. „Es ist unbestreitbar wahr, daß einige herausragende jüdische Politiker und Intellektuelle in den Jahren unmittelbar vor und nach dem I. Weltkrieg zum Sozialismus neigten, und viele Zionisten waren zugleich Kommunisten. Das schuf die paradoxe Situation, daß die gemäßigte jüdische Mehrheit als sozialistisch, internationalistisch und revolutionär abgestempelt werden konnte. Es hat eine Bestrebung gegeben, die wichtige Rolle einfach außerachtzulassen, die jüdische Intellektuelle in der SPD und KPD gespielt haben und damit einen echten und sachlichen Grund für den steigenden Antisemitismus während und nach dem I. Weltkrieg zu vernachlässigen. Viele Deutsche nahmen fälschlich an, daß die prominenten jüdischen Intellektuellen die politische Haltung der Mehrzahl der deutschen Juden widerspiegelten, und es war diese verbreitete Falschwahrnehmung, die sich für die jüdische Minderheit als politisch am gefährlichsten herausstellte. Die Unterstützung linken Gedankenguts durch jüdische Politiker und Intellektuelle war nicht einfach eine Erfindung der Nazionalsozialisten, sondern ein Tatsache. ... Ab 1890 stellten die Juden im Reichstag 10% aller SPD-Abgeordneten. Jüdische politische Führer wie Eduard Bernstein und Rosa Luxemburg waren außerordentlich aktiv. ... Von den 400 Juden, die von 1867 bis 1914 in der Reichspolitik aktiv waren, waren 31% als Herausgeber, Autor, Journalist oder Propagandist für SPD-Einrichtungen angestellt. ... Es gab enge Verbindungen und Geldüberweisungen zwischen jüdischen Selbstverteidigungs- bzw. Interessenorganisationen und SPD-Propagandaeinrichtungen. ... Die herausragende Rolle der Juden in der Revolution von 1918 und während der ersten Jahre der Weimarer Republik ist unbestreitbar und war eine sehr wichtige Ursache dafür, daß der Antisemitismus in den Nachkriegsjahren stärker wurde“ (Gordon 1984, S. 23). - Daß Jude-Sein und linke politische Orientierung keine zwangsläufige Ehe sind, macht schon ein Blick in die politische Szene des heutigen Israel klar.  

In Rußland, daß in den polnischen Teilungen große Teile des früheren Polens annektiert hatte, ging eine ähnliche Entwicklung weiter und die jüdische Bevölkerung hatte zwischen 1820 und 1880 um 150% zugenommen, die nichtjüdische um 87%. In den südlichen Provinzen Rußlands hatte sich die Zahl der Juden von 1844 bis 1914 sogar auf 850% erhöht, gegenüber einer Bevölkerungszunahme auf 250% bei den Nichtjuden. „Die russischen Pogrome von 1881 hingen mit dem Bevölkerungswachstum der Juden zusammen und ihrer zunehmenden Einwanderung in die Städte, und der Aufruhr war zum Teil durch Geschäftsleute angestiftet worden, für die die Juden Konkurrenten waren“ (Mac Donald 1994, S. 127).

Der Gedanke an Konkurrenz war nicht unbegründet. Im 18. Jahrhundert waren die Hälfte der gesamten städtischen Bevölkerung Polens Juden. Besonders instruktiv ist die Fallstudie der Stadt Opatów in Kleinpolen (Hundert 1992). 1538 gab es in Opatów vier jüdische Familien, 1618 etwa 40 jüdische Haushalte, d.h. 1618 etwa 12% aller Haushalte der Stadt. Um 1656, im Krieg gegen Schweden, wurde Opatów verwüstet. 1674 zählte man dann 475 Christen und 219 Juden. 1713 hatte die Stadt 98 christliche Haushaltungen, und die Juden erreichen mit 108 Haushaltungen zum erstenmal bei einer Zählung die absolute Mehrheit. Nach den Kopfzahlen lebten dann 1727 700 Christen in Opatów und 1400 Juden. Die Zahl der Juden erreicht dann um 1770 mit rund 2500, darunter 485 Steuerzahler, ihr Maximum. Um diese Zeit hatte bereits eine lebhafte Abwanderung in Richtung Warschau und andere Städte eingesetzt. Von 3512 Juden, die 1778 in Warschau lebten, stammten 173 aus Opatów. Die Juden hatten ihre eigene Sprache und ihre eigene Religion und lebten in starker Trennung von der übrigen Bevölkerung. Dennoch weist die gegenläufige Entwicklung der Bevölkerungsteile darauf hin, daß es im wirtschaftlichen Bereich zweifellos eine Konkurrenzsituation gegeben haben muß, bei der die Juden, in deren Hände im 18. Jahrhundert faktisch das gesamte Wirtschaftsleben der Stadt übergegangen war, die größere Vitalität aufwiesen. Bereits aus dem Jahre 1569 ist eine erste besorgte Äußerung von christlichen Kaufleuten über die jüdischen Wettbewerber im Handel überliefert. Die Juden traten auch als Handwerker kaum in die Zünfte der Christen ein, sondern gründeten eigene Zünfte. Aus dem 17. Jahrhundert werden antisemitische Zwischenfälle berichtet, in denen die Unterschichten ihren Haß austobten. Auch sonst ist in den gegenseitigen Beziehungen vielfach von Mißtrauen und Haß die Rede. Einige Juden waren wirtschaftlich stark geworden und begannen, die Landgüter des Adligen zu pachten, dem die Stadt gehörte. Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Opatów keine nicht-jüdischen Fleischer, Bäcker, Schneider, Gerber und Goldschmiede mehr. Für das Wachstum der jüdischen Gemeinschaft gab es auch demographische Ursachen: Als Heiratsalter wird für die jüdischen Mädchen in wohlhabenden Familien oft bereits das 13. Lebensjahr angegeben, und die Kindersterblichkeit war relativ niedrig. Die Sorge der Männer um ihre Familie war sehr ausgeprägt.

Wie die jüdische Bevölkerung ihren überdurchschnittlich hohen IQ erlangte, könnte Inhalt eines eigenen Buches sein, ist aber bei Mac Donald (1994) so ausführlich untersucht, diskutiert und belegt worden, daß an dieser Stelle auf dieses Buch verwiesen werden soll. Heute würde man sagen: Die Juden betrieben über Jahrhunderte hinweg eine gezielte und erfolgreiche gruppenbezogene Familien- und Bildungspolitik. Für einen reichen Mann war es eine Ehre, einen armen jungen, aber intelligenten, Mann in seiner Ausbildung zu fördern, ja ihn zum Schwiegersohn zu haben. „Ein Mann soll alles verkaufen, was er hat, damit er die Tochter eines gelehrten Mannes heiraten kann, oder er soll seine Tochter an einen gelehrten Mann oder anderen Mann mit Charakter verheiraten, weil er dann sicher sein kann, daß seine Kinder intelligente Menschen sein werden. Denn aus der Ehe mit einem Unwissenden können nur unwissende Kinder entstammen“ (b. Pesachim, 49a). Mit den Religionsstudien hatten die Juden schon frühzeitig einen internen Bildungs- und Auslesemechanismus und mit ihren Religionsgelehrten eine eigene Bildungsschicht, die nicht im Zölibat unterging, sondern sich mit den Töchtern derer verheiratete, die sich im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf, und das war bei den Juden Handel und Gewerbe, behauptet hatten. Die Heiratswerber im jüdischen Schtetl notierten nicht nur die Namen der Burschen und Mädchen im heiratsfähigen Alter, sondern auch die Anzahl der Gelehrten unter den Verwandten der Eheanwärter, und danach richtete sich dann die Mitgift. Der Genetiker würde sagen: Die Heiratswerber hatten eine ungefähre Vorstellung, wie man den Erbwert bzw. den Heritabilitätsindex des IQ (vgl. Weiss 1982 in Weiss et al. 1986, S. 45) schätzen kann. „Geleitet von den rabbinischen Lehren, beruhte das Heiratsideal der Juden ... auf dem Intellekt der zukünftigen Schwiegersöhne und -töchter und deren Eltern. Sie hatten anscheinend einen festen Glauben an die Macht der Vererbung und handelten demgemäß. Die Reichen suchten junge Leute mit Kenntnissen, und wenn sie keinen passenden jungen Gelehrten in ihrem gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Kreise fanden, zögerten sie keinen Augenblick, ihre Töchter einem armen Gelehrten zu vermählen. ... Sobald in einer Gemeinde ein Junge als befähigt und versprechend entdeckt worden war, fand sich sicher alsbald ein Reicher, der ihn solange unterstützte, bis er reif war, seines Wohltäters Tochter zu heiraten. In vielen Fällen wurde er noch jahrelang nach der Eheschließung, oft lebenslänglich, versorgt“ (Fishberg 1918).

 

An der überdurchschnittlichen Intelligenz der Juden hat sich nichts geändert, und der  der heutige Staat Israel muß deshalb mit komplizierten Problemen seiner Sozialstruktur leben und fertig werden: Da der mittlere IQ der Juden weltweit bei etwa 115 liegen dürfte, ist der mittlere IQ der Einwanderer nach Israel, vor allem auch derjenigen aus der früheren Sowjetunion, kaum niedriger. In Israel stellen Wissenschaftler, Ingenieure und Freiberufler 22% der Bevölkerung (Reicherzer 1992). Auf 10 000 Einwohner kommen 135 Wissenschaftler (in den USA 85). Die neuen Emigranten aus der alten Sowjetunion gehören gar zu 70% dieser Intellektuellen Elite an. Doch qualifizierte Arbeitsplätze sind in Israel Mangelware geworden, und die Folge ist eine außerordentlich hohe Arbeitslosigkeit unter Akademikern. Allein die Zahl der Ärzte schnellte in drei Jahren von 12 000 auf 22 000 hoch. Es gibt bisher keinen Flächenstaat in der Welt mit einem mittleren IQ seiner Bewohner von höher als 105, der sich als langfristig lebensfähig erwiesen hat. Israel versucht, der erste zu sein.


Die Zahl der Juden in Westeuropa ist gering, ... aber über unsere Ostgrenze dríngt Jahr für Jahr aus der unerschöpflichen polnischen Wiege eine Schar strebsamer hosenverkaufender Jünglinge herein, deren Kinder und Kindeskinder dereinst Deutschlands Börsen und Zeitungen beherrschen sollen; die Einwanderung wächst zusehends." Heinrich von Treitschke, 1879.

Diese und andere Vorahnungen bedeutender Historiker werden kritisch diskutiert in: Weiss, V.: Wann schlägt eine demographische Krise in eine nationale Existenzkrise um?. Schriftenreihe der Deutschen Studiengemeinschaft 3 (2003) 47-65

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