DAS REICH ARTAM: Die alternative Geschichte der Deutschen 1941 - 2099, Zweiter Teil, Kapitel II
Adrian folgte
dem Weg, auf dem Tupfen von Licht und Schatten wechselten. Das Laubdach des
Waldes war noch nicht geschlossen, und auf seinem Boden blühte es in weiß, gelb
und blau. Rechterhand lag der Stausee, linkerhand der Wald. Der Weg führte
einem zum Gartenhaus des Taras Metschko, wenn man die Stelle kannte, wo man in
einen schmalen Pfad überwechseln mußte und von dieser Abzweigung noch etwa
sechshundert Meter dem Pfad folgte. Es war der zwanzigste Mai und ein
ungewöhnlich warmer Tag. Ein Specht
trommelte auf einen trockenen Ast.
Bis zur
vereinbaren Zeit verblieben noch etwa zwei Stunden. Er war früh aufgebrochen,
und bei der Anfahrt gab es nichts Bemerkenswertes. Er hatte sein Auto etwa zwei
Kilometer entfernt vom Gartenhaus am Waldrand geparkt und seinen Rucksack aus
dem Kofferraum genommen und die Grundausrüstung, ohne die sich kein Kamerad des
Schwarzen Korps im Gelände bewegte. Er hatte das Auto etwas versteckt geparkt,
obwohl die elektronische Sicherung ein Wegfahren oder Abtransportieren unmöglich
machte und die Ortung jeden seiner eigenen Schritte, wie auch den Standort des
Autos, verfolgte und aufzeichnete. Es war auch der Grund, warum er Ludmila
nicht entgegenging. Ihr Weg konnte nur bis zu ihrem Auto und ihrem Parkplatz
verfolgt werden. Von da aus signalisierte ein Sender, daß sie sich dort ständig
aufhielt. Das schaffte die exzellente Partisanenelektronik, die Adrian in
seinen Kampfjahren in die Hände bekommen hatte. Den Beutesender hatte er
jahrelang bei sich aufbewahrt. Nicht einmal in der Absicht, ihn jemals zu
gebrauchen, nein, sondern nur so, zur Erinnerung. Erst mit Ludmila war er auf
den Gedanken gekommen, den Sender einzusetzen. Bei einer militärischen Übung
für Reservisten, zu der er für mehrere Wochen eingezogen wurde, hatte er den
Sender mitgenommen und unauffällig überprüfen lassen, ob er noch funktionierte.
Tatsächlich, die Täuschung gelang.
Staatsbürger
konnten damit ihren Standort maskieren, nicht aber er selbst. Deshalb hatte er
Ludmila den Sender ausgehändigt, und sie benutzte ihn schon mehrfach, ohne daß
es danach zu beunruhigenden Nachforschungen gekommen war. Aufbewahrung und
Einsatz des Senders waren aber stets extrem gefährlich, konnte man dahinter
doch ganz andere Absichten vermuten als private. Aber sie waren beide gewillt,
solche Risiken auf sich zu nehmen.
Heute war
Werktag, der Stausee und seine Umgebung menschenleer, auch auf der Straße
hierher gab es wenig Verkehr.
Da war auch
schon der Pfad, der sich durch das Unterholz schlängelte. Als Adrian den Zaun
des Gartengrundstücks erreicht hatte, ging er nicht sofort zum Tor, sondern
umrundete das Grundstück vorsichtshalber noch einmal in einiger Entfernung. Das
war ohne Weg ziemlich beschwerlich, und einmal stolperte er über eine Wurzel.
Seine Kampferfahrung und Ausbildung geboten diese Mindestumsicht. Eine brütende
Amsel flüchtete von ihrem Nest. Sie stellte sich flügellahm, hüpfte vor Adrians
Füßen weg und versuchte, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Erst als er
fast auf sie trat, flog sie zeternd davon. Ein Eichelhäher warnte „Rätsch,
rätsch, rätsch.“ Er konnte keinerlei Anzeichen von irgendetwas Verdächtigem
feststellen.
Wieder am Tor
angekommen, öffnete er es und deaktivierte damit gleichzeitig die elektronische
Sicherung des Grundstücks. Die gleiche Routine wiederholte er am Gartenhaus
selbst, erst außen Herumgehen, dann Öffnen. Innen roch es ein wenig muffig. Er
klappte die Außenläden der drei Fenster zurück, dann die Fenster selbst und
ließ den Frühling herein. Die Heizung brauchte man an so einem warmen Tag nicht
anzustellen. Das Häuschen war gut ausgestattet, mit Koch- und Duschgelegenheit,
einem Windrad, Sonnenkollektoren, einer eigenen Kläranlage und sogar einem
kleinen Roboter, der die Außensicherung koordinierte, der Brandmelder und
vieles mehr sein konnte. Alle andere Elektronik hatte Adrian schon bei seinem
Erkundungsbesuch ausgeschaltet, da man nie wissen konnte, ob die Empfangsgeräte
nicht zugleich auch zur Überwachung benutzt werden konnten. Mit seinem kleinen
Handgerät überprüfte er noch einmal, ob alles tatsächlich abgeschaltet war. Er
meldete, zeitlich und räumlich unverzerrt, seinen Aufenthaltsort und seine
Ankunft nach Hause an den Heimroboter.
Er hatte
Appetit auf ein kräftiges zweites Frühstück. Er schnitt eine Salami in Stücke,
schlug vier Eier in die Pfanne und schnitt fünf Tomaten in Scheiben. Die
Zutaten hatte er alle frisch im Rucksack mitgebracht. Pfeffer und Salz waren im
Schrank, ebenso Mineralwasser. Ausnahmsweise kochte er aber einen guten Kaffee.
Das Geschirr befand sich im Schrank, und er deckte den Tisch für zwei Personen.
Vor dem
Häuschen blühten in einer Rabatte späte Narzissen. Er pflückte einen Strauß,
brachte ihn herein, nahm eine Glasvase aus dem Regal und stellte die Narzissen
auf den Tisch, daneben eine kleine Packung erlesener Lindt-Pralinen. Dabei ging
ihm einer dieser dummen Sprüche nicht aus dem Kopf: Rosen zum Kosen; Narzissen
zum Küssen; Wicken, die gab es um diese Jahreszeit noch nicht.
Da summte es
auch schon. Jemand stand am Tor und begehrte Einlaß. Vom Häuschen aus konnte
man weder das Tor noch die Umzäunung einsehen. Ein kurzer Blick auf die kleine
Überwachungskamera des Roboters: Ludmila, sie hatte hergefunden. Sein Herz
schlug bis zum Halse. Er drückte auf den Türöffner und ging ihr entgegen. Sie
begegneten sich auf halbem Weg, für alle Kameras uneinsehbar. Sie flog in seine
Arme. Er hatte wieder das Parfüm in der Nase, wie es eben nur eine Russin
benutzen konnte, niemals aber die nicht-muslimische Ehefrau eines
Korpsangehörigen. Ludmila hatte den Schador im Auto abgelegt und trug die
beiden großen, auffälligen Ohranhänger und trotz des warmen Wetters hohe
schwarze Stiefel. Das war für ihn die eindeutige Aufmachung einer Frau, die
signalisieren wollte, daß sie Bedarf hatte. Große Ohrklunker wurden nach Adrians
Meinung von Frauen nur zu Zeitpunkten getragen, zu denen sie eben das
unmißverständlich mitteilen wollten.
Er genoß ihre
Ausstrahlung, atmete ihren Reiz ein und schon sprangen seine Gefühle an. Als
seine Hände nach unten über ihre Hüften gleiten wollten, schob sie seine Arme
mit leichtem Druck zur Seite, hielt sie fest, und fragte neugierig: „Nicht so
hastig! Was für ein schönes Häuschen hast du denn da ausfindig gemacht?“
Sie gingen die
wenigen Schritte bis zur Tür eng umschlungen, wo sie vorerst voneinander
ließen. Ludmila trat ein, registrierte die frischen Narzissen mit einem „Oh“,
kostete die Pralinen, warf einen prüfenden Blick auf die Inneneinrichtung und
durch jedes Fenster und schleuderte ihre Umhängetasche auf einen Stuhl. Ihre
Fast-Schlitzaugen blitzten erwartungsfroh. Adrian war, am Türpfosten
lehnend, stehengeblieben, sagte kein
Wort, weidete sich an ihrem Anblick und ihrem Duft und lächelte. Sie trug
kurzen Rock und Kostümjacke, zwei Knöpfe oben offen.
Ein
gemeinsames Essen ist stets ein guter Anfang. Er ging zum Herd, nahm die Pfanne
und stellte sie mit dem Brot auf den Tisch. Als er einschenkte, stand er einen
Moment mit dem Rücken zu ihr, schluckte ein Dragee Erekton und trank einen
kräftigen Schluck Mineralwasser. Sie saßen sich gegenüber, lächelten, aßen und
unterhielten sich über Belanglosigkeiten: Die Lage des Grundstücks, der Weg
hierher, den See, das Wetter. Adrian begann eine schmerzhafte, sich steigernde
Spannung im Hodensack zu spüren. Ein solchen Lustreiz kannte er nur von den Treffen
mit Ludmila.
Dann die
notwendige Rückfrage von Adrian:
„Hast Du den
Desorientierungssender aktiviert?“
„Ja,
selbstverständlich. Ich habe auch die letzten Fotos von unserem Sohn mit. In
der Tasche.“
Damit nannte
sie ein Thema gekommen, das nicht zur Entspannung beitragen konnte. Gut, daß es
gegen Zweifel und Ängste Erekton gab. Der Junge mußte im September in die
Schule kommen.
Adrian stand
der Sinn nach Anderem: „Dafür werden wir
uns heute noch viel Zeit nehmen. Du kannst doch bis gegen Abend bleiben?“
„Ja, ich
kann.“
Sie mußte, wie
er, etwa anderthalb Stunde Rückweg einplanen.
Als sie
aufstand und die leere Pfanne auf den Herd stellte, faßte er sie, drehte sie zu
sich und begann sie wortlos zu küssen, ausgiebig und variationsreich. Sie
bohrte und rüttelte ihre Zeigefinger tief in seinen Ohren. Sie wußte, er stand
darauf. Seine Hände streichelten ihre Brust. Er knöpfte ihre Kostümjacke
vollends auf. Ihre Brustwarzen waren aufgerichtet. Seine Hände glitten nach
unten, unter ihren Rock und schoben ihn mit einem Ruck nach oben. Er stellte
fest, daß sie keinen Schlüpfer trug. Sie hatte ihn schon ausgezogen und in ihre
Umhängetasche gesteckt. Das straffe
Fleisch eines kräftigen Hinterteils ließ sich bereitwillig greifen und kneten.
Ob Rasse oder nicht, es war ein kapitales Stück. Mit dem Handballen fest gegen
ihren Schamberg drückend, glitt seine rechte Hand flüchtig über die Innenseiten
ihrer Oberschenkel, ehe er die kleine warzenähnliche Erhebung tastete (ihren
Schönheitsfehler, der ihn längst nicht mehr störte) und begann mit Zeigefinger
und Mittelfinger ihre äußeren Schamlippen zu massieren, dann mit drei Fingern,
dabei mit dem Mittelfinger schon tiefer tastend. Dabei fühlte er, daß er
behutsam sein mußte. Ludmila war sehr erregt. In der Anfangsphase ihrer
Beziehung war es vorgekommen, daß sie bei direkten Zärtlichkeiten bereits in
dieser Phase zum Höhepunkt gelangte. Das war, obwohl sie ihn bei ihren Treffen
mehrfach erreichen konnte (eine Fähigkeit, die man bei Godela und Gundula fast
vergessen konnte, glücklicherweise), nicht der eigentliche Sinn der Übung. Sie
hatte seine Kleidung inzwischen ebenfalls aufgeknöpft, enthielt sich aber jeder
weiteren konkreten Berührung.
Der Rock und
die Bluse fielen herunter. Er machte sich ebenfalls frei. Sie trug nur noch die
Ohrgehänge und die hochhackigen Stiefel. Das Zubehör und ihr Hintern kamen am
besten zur Geltung, das wußte sie, wenn sie sich über den Tisch beugte, die
langen Beine gespreizt und gestreckt, sich dabei mit den Ellenbogen auf die
Tischplatte stützend, so daß der Rücken einen schrägen Winkel nach unten
bildete und ihre langen schwarzen Haare nach vorn fielen. Das tat sie, und er
trat von hinten an sie heran. In dieser Stellung war die schöne Frau nichts
weiter als eine Stute, die richtig gedeckt werden wollte. Er schlug ihr mit
beiden flachen Händen auf die Arschbacken, daß es klatschte. Dann noch ein
zweites Mal, kräftiger. Wenn es ihr auch weh tat, der Kick bekam ihnen beiden.
Er glitt mit seiner knallharten Eichel ein paarmal gefühlvoll über ihren prall
geschwollenen Kitzler, vor und zurück, bis zum After, in dem er seinen
angefeuchteten Daumen drehte, ehe sie mit einem energischen Griff sein Glied in
die richtige Öffnung lenkte. Aber er merkte, so ging das nach seinem Geschmack
viel zu schnell. Die Manschette um ihren Scheideneingang war schon so stark
geschwollen, daß es unmöglich war, sich für eine Zeitdauer, die ihn befriedigen
würde, vor und zurück zu bewegen, ohne dabei zu früh zu explodieren. Er zog
deshalb sein bestes Stück noch einmal ganz heraus, richtete Ludmila auf, drehte
sie mit dem Gesicht zu sich und drängte sie auf einen Schrank, der die passende
Höhe hatte (eine Variante, die er in Gedanken schon bei seinem ersten Besuch im
Häuschen durchgespielt hatte). Er stand vor ihr, konnte sie küssen, ihre Brüste
fassen und mit der Eichel tiefer tasten. Das war eben der Segen des Erekton,
daß man solche Stellungsänderungen vollziehen und den Genuß verlängern konnte,
selbst dann, wenn im Hinterkopf unausgesprochene Ängste spukten.
Obwohl sie in
dieser Stellung den Rhythmus kaum aktiv beeinflussen konnte, hechelte sie und
kam vor ihm wie ein Erdbeben. Das wollte er, konnte er doch jetzt seinem
Höhepunkt mit ungehemmten Stößen zustreben. Dann ein Aufstöhnen und diese
schmerzhafte Entladung, wie er sie mit Ludmila erleben durfte und nur mit ihr.
Ihm wurden die Knie weich, und er zog sie auf’s Bett. Sie lagen eine Weile
still. Er mochte sogar einige Minuten eingeschlafen sein und wußte es nicht
genau. Die Zeiten waren vorbei, da er ohne Herausziehen des Gliedes den Akt
wiederholen konnte. Damals war er einige Jahre jünger gewesen, aber das Ganze
dann auch nicht gerade im Stehen.
Durch die
geöffneten Fenster hörte man einen Kuckuck rufen. Weswegen rief eigentlich der
Kuckuck?, fragte sich Adrian verträumt.
Indem die anderen Vögel sangen, gaben sie kund: Hier ist ein Mann mit Wohnung!
Aber auch der Kuckuck sah sich offenbar gezwungen, ein Revier zu behaupten und
seinen biologischen Wert durch Zurschaustellung seiner Vitalität zu
demonstrieren. Gesang und Ruf hatten die Funktion von Prestigekonsum, der Kraft
und Geld vergeudete, damit die Kräftigen zueinander zur Paarung fanden.
Es mochten
zwanzig oder dreißig Minuten vergangen sein, da begannen sie, sich wieder
wortlos zu küssen und zu streicheln. Ludmila faßte seine Vorhaut und zog sie
zart und liebevoll über die Eichel und wieder zurück. Er kannte keine andere
Frau, die das so feinfühlig handhabte. Ihre nächste Vereinigung war viel länger
und tiefgründiger als die erste. Nach der gemeinsamen Entspannung schliefen
beide spontan ein. Noch beim Erwachen lagen sie nebeneinander eng umschlungen.
Adrian drängte es auf die Toilette und nach ihm Ludmila.
„Es ist heute
warm draußen. Wollen wir uns nicht auf die Wiese vors Häuschen legen?“, fragte
Ludmila.
„Ja, wir
nehmen die Decke mit raus.“
Allzuviel
Sonne vertrugen sie beide um diese Jahreszeit noch nicht. Ihre Stiefel hatte
Ludmila inzwischen ausgezogen.
Der Löwenzahn
stand in voller Blüte. Die kleine Liegewiese war von Rabatten gesäumt, in denen
Stauden wuchsen. Der Kaukasische Beinwell lockte mit seinen blauen Blüten
Hummeln und Pelzbienen an. Adrian mochte nicht länger in der Sonne braten.
Deshalb stand er schon bald wieder auf und schaute den Hummeln interessiert zu:
Schwarze mit rotem oder mit weißem Abdomen und roten, weißen und gelben
Streifen auf dem Thorax. Es flogen um diese Jahreszeit noch keine
Arbeiterinnen, sondern nur die fetten Königinnen, die überwintert hatten und
jetzt ihre Völker begründeten. Sogar eine erste träge Schmarotzerhummel mit ihrem
dunklen Flügel befand sich darunter.
Blonde wie
Adrian konnten sich völlig unbekleidet nicht länger als eine halbe Stunde in
der Sonne aufhalten, mehr war schon zuviel für ihn. Ludmila vertrug die
doppelte Menge, ohne Schaden zu nehmen. Das Einschmieren mit Sonnenschutz
Faktor 20 wollten sie sich ersparen.
„Ich ziehe die
Decke dort unter den Baum, so daß sie halb im Schatten liegt“, war Ludmilas
praktischer Gedanke.
So konnte
Adrian mit Kopf und Schultern im Schatten dösen, sie aber noch in der prallen
Sonne. Sie blinzelten sich zufrieden an, und das Gespräch wollte nicht recht in
Gang kommen.
Nach seiner
Familie hatte sie sich nie erkundigt. Sie wußte natürlich von Godela und
Gundula und einer Hecke Kinder, aber nicht einmal deren genaue und größer
werdende Zahl. Auch das Korps und seine Arbeit im Amt konnten kein Thema sein.
Fachliche Berührungspunkte waren die Verbesserung der genetischen
Analysemethoden. Das hatte ja auch überhaupt zu ihrer ersten Begegnung geführt.
Adrians Interesse an den Obstsorten und der Obstsortenzüchtung und damit an
ihrer Arbeit war nicht gespielt, es war sein Hobby. Aber als ständiger und
einziger Gesprächsstoff auf die Dauer nicht ergiebig genug. Was verband sie
eigentlich miteinander? Ludmilas politisches Interesse ging nicht über
Allgemeinplätze hinaus. Sie nahm die Zustände als gegeben an und versuchte sich
einzupassen. Der Schador trug und verstand sie als eine Art Tarnkappe. Adrian
war da ein viel aufmerksam beobachtender und registrierender Zeitgenosse.
Bei Lichte
besehen war ihr Verhältnis der reinste Irrsinn. Er, glücklich verheiratet, mit
einer intakten Familie, dazu eine unangefochtene berufliche Stellung und dann
das! Ihre Beziehung war ohne jede
Perspektive und konnte für beide nur mit einer Katastrophe enden. Schon oft
hatte er sich gefragt, was ihn, gegen jede Vernunft, dazu trieb, immer wieder
ein Treffen mit Ludmila zu begehren. Auch heute würde er wahrscheinlich auf der
Rückfahrt im Auto den Entschluß fassen, daß es ihr letztes Treffen gewesen sei.
Und entschlossen sein, es ihr beizubringen. Es würde aber keine Woche vergangen
sein, da würde er wieder an Ludmila denken und das nächste Treffen
herbeisehnen, so gut und so schön es mit Godela und Gundula auch war. Wenn er
mit einer der beiden im Bett lag und seine Augen geschlossen hielt, so konnte
er die Gier und die Lust beträchtlich steigern, wenn er sich dabei vorstellte,
er hätte Ludmila im Griff. Es war ihm sogar fast zur Gewohnheit geworden. War
das noch normal? Führte das Ausüben von fortgesetzter Rassenschande zu einer
chronischen seelischen Erkrankung, wie es von den alten Rassenpsychologen
behauptet worden war? Seltsam, nur ihr Parfüm konnte er sich nicht vorstellen,
er mußte es riechen.
Schon zweimal
hatte er im Laufe der Jahre Ludmila unmißverständlich mitgeteilt, daß sie sich
nicht mehr wiedersehen könnten. Um sich dann einige Wochen später doch wieder
zu erkundigen, wie es ihr ginge. Daraus ergab sich zwangsläufig eine neue
Verabredung. Auch Ludmila war der Gedanke, daß ihr Verhältnis hoffnungslos war,
nicht fremd. Sie hatte auch ihrerseits wiederholt und ernsthaft versucht, sich
von ihm zu lösen. Während ihrer Verlobung war sie jeder Begegnung mit ihm aus
dem Wege gegangen. Als er ihr mitgeteilt hatte, es müsse Schluß mit ihnen sein,
war sie auf Wiederannäherungsversuche
von seiner Seite nur zögernd eingegangen. Sie wußten beide von Anfang an: Sie
hatten keine echte Chance und sie hatten sie nie. Irgendwann, vielleicht schon
morgen, würde ihr Verhältnis vom Zentralen Gewissen entdeckt werden. Sie würden
beide streng bestraft werden und sich niemals wiedersehen können. Wie die
Bestrafung für ihn ausfallen würde, wußte er nicht. Wahrscheinlich würde man
ihm empfehlen, sich zu einer Kampfeinheit zu melden. Sie bekäme vielleicht die
Zwangseinweisung in ein Bordell, ihr Sohn in ein Kinderheim. Aber diese Ängste
und Befürchtungen teilten sie nun schon seit Jahren. Dessenungeachtet war es
stets irgendwie weitergegangen. Sie hatten sich abgewöhnt, ihre Ängste
anzusprechen. Und irgendwann hatte er beschlossen, daß er jedesmal, wenn er
wieder einmal fest entschlossen war, Schluß mit ihr zu machen, einfach abwarten
würde, bis er wieder anderer Meinung ist.
Ein triftiger Anlaß, immer wieder in Verbindung zu treten, war ihr gemeinsamer Sohn, den sie German genannt hatte. Die russische Form von Hermann, aber doch in seiner Bedeutung ein doppelbödiger Name (sie verstanden ja beide auch Englisch). Ludmila hatte ihm damals nicht gesagt, daß sie schwanger sei und war monatelang einem Treffen ausgewichen. Sie war im fünften Monat, als er von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte. Sie wollte das Kind von Anfang an, und der Gedanke an eine Abtreibung war ihr völlig fremd gewesen. Sie sagte, sie würde als Schwängerer eine Zufallsbekanntschaft angeben, dessen Namen sie nicht preisgeben könne und wolle, und die Schande auf sich nehmen. Bei Staatsbürgern war das möglich, und unmittelbare kriminalistische Ermittlungen waren deswegen nicht zu befürchten. Er war aber viel zu sehr Fachmann, um nicht zu wissen, daß schon eine Teildekodierung des Genoms, wie sie auch bei Staatsbürgern vorgenommen und in Rechnern gespeichert wurde, dazu führen konnte, daß er als Vater in Frage kam. Jede Untersuchung ihrer beider Bewegungen im Raum mußte dann diesen Verdacht zur Gewißheit erhärten. Er wußte aber auch, daß, wenn es gelang, einen Teil des dekodierten Genoms des Sohnes unleserlich zu machen solche technischen Pannen kamen vor die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung viel geringer sei. Da er dienstlich Zugriff auf diese Art Datenbanken hatte bzw. sie sich verschaffen konnte, war nach der Geburt des Sohnes sein Denken und Trachten darauf gerichtet, einen Teil des gespeicherten Kodes unleserlich zu machen. Das gelang ihm auch. Schwieriger war es dann, durch mehrfaches Überspeichern und Umwege-Verlinkung seine elektronische Spur zu verwischen. Seitdem hatte sich seine Angst verringert. In der Datenbürokratie gab es so viel Routine, daß manches einfach unterging. Es war unmöglich, allen Meldungen, Warnungen usw. der Rechner nachzugehen, da es auch immer wieder Fehlfunktionen der Systeme gab. Darauf gründete sich seine Hoffnung.
Sie hatten
beide genug Sonne getankt, gingen ins Häuschen und zogen sich wieder etwas an.
Ludmila griff zu ihrer Tasche, nahm eine kleine Kamera heraus, projizierte sich
bewegende und stehende Aufnahmen von German auf die weiße Innenfläche der Tür,
und fragte:
„Ist es nicht
ein hübscher Junge?“
„Er entwickelt
sich wirklich sehr gut.“, bestätigte Adrian.
Als German
etwa zwei Jahre alt war, hatte sie ihn zweimal zu einem ihrer Stelldicheine
mitgebracht. Später war das zu gefährlich, denn das Kind konnte Fragen stellen,
die schwer zu beantworten waren, und es konnte Dritten von dem fremden blonden
Mann erzählen. Der Junge war nämlich blond und blauäugig wie sein Vater, wenn
auch in der Haarfarbe deutlich dunkler. Das war sehr ungewöhnlich und nur
möglich, wenn auch die Mutter überdeckte Erbanlagen für blond und blauäugig in
sich trug. Adrian hatte den Kode von Ludmila an diesen Genorten überprüft, und
es war tatsächlich so. Nicht, weil er jemals Zweifel an seiner Vaterschaft
gehabt hätte, es war einfach durch seinen Beruf geschärfte Neugier. Der Junge
war kräftig, sehr flink und sehr aufgeweckt (kräftiger als jeder seiner Söhne
mit Godela und Gundula). Ludmila kommentierte voller Schwung ihre Aufnahmen.
Sie sprach dabei Russisch, so wie sie mit German Russisch sprach. Auch
miteinander sprachen Adrian und Ludmila viel Russisch. Seine Kenntnis des
Russischen hatte sich dadurch im Laufe der Jahre sehr verbessert. German hätte
man für einen reinrassigen Atlantiker halten können, wenn da nicht die etwas
breiten Backenknochen gewesen wären und die etwas schrägliegenden Augen. Ein
leichter Hauch von Asien, das unverkennbare Erbgut seiner Mutter.
Seit der Junge
geboren worden war, zweigte Adrian Geld für ihn ab. Da an ein Überweisen nicht
zu denken war, legte er Bargeld in einen Umschlag mit der gedruckten Aufschrift
„Für German“, den er Ludmila stets persönlich zusteckte. Es sollte nicht so
aussehen und so wirken, als würde er sie für Sex bezahlen. Sie zählte nie in
seiner Anwesenheit nach. Monatlich waren es stets um die vierhundert Mark.
Später, wenn der Junge größer war, rechnete er dann mit sechshundert. Zum Glück
verdiente Adrian in seiner Stellung so gut, daß er so viel Bargeld abheben
konnte, ohne daß deswegen seine Familie kürzer treten mußte. Der Betrag, den er
Ludmila gab, hing auch von der Länge der Pausen zwischen ihren Treffen ab und
war so fast jedesmal eine andere.
Ludmila hatte
deswegen schon gefragt: „War es beim vorletztenmal ganz besonders gut, daß du
mir beim letztenmal so viel Geld gegeben hast?“
Sie konnte es
bei ihrem eher bescheidenen Einkommen ganz gut gebrauchen und sagte nie, daß es
zuviel sei. Sie war dankbar für seine dauerhafte und zuverlässige finanzielle
Unterstützung. Er war sich im klaren darüber, daß sich das bei einer Frau noch
nie negativ auf das sexuelle Vergnügen ausgewirkt hatte, wenn er es auch nicht
aus diesem Blickwinkel betrachtet haben wollte.
„Du, ich habe
wieder Hunger.“
„Ich auch.“
Ludmila machte
in der Mikrowelle zwei Fertiggerichte warm. Für Kochkünste war bei ihren
hastigen Treffen nie Zeit und Gelegenheit gewesen. Manchmal brachte er
irgendwelche Leckerbissen mit, die es nur in den Spezialgeschäften des
Schwarzen Korps und seiner Familien gab. Doch heute hatte er sich nur selbst
mitgebracht, etwas Marzipan und die Pralinen.
Nach dem Essen
blieben sie beide einen Moment unentschlossen. Er versuchte, ihr erneut
näherzukommen, sie lächelte schelmisch.
„Tischlein deck dich, Goldesel streck dich,
Knüppel aus dem Sack?“ fragte er. Sie kannte den Hintersinn des deutschen
Märchens und seinen Witz und lachte.
„Komm, wir
spielen zusammen Federball!“, schlug sie vor.
„Eine halbe
Stunde, warum nicht. Ich habe schon gesehen, im Schrank liegt ein Paar große
Schläger und ein leichter Ball, der nicht so weit fliegen wird.“
Da die Wiese
draußen schon wieder im Halbschatten der Bäume lag, legten sie bis auf die
Schuhe bzw. ihre Stiefel alle Kleidung wieder ab und spielten nackt. Ludmila,
sich beim Federball in einer Parfümwolke reckend und streckend, mit langen
schwarzen Stiefeln, wehenden langen schwarzen Haaren, wippenden Brüsten und
Ohranhängern - ein Anblick, der auch den müdesten Mann zur Wallung bringen
konnte.
Bei einer
kurzen Unterbrechung, als sie sich langmachte, um den Ball von einem Birkenast
herunterzuholen, begann der kleine Mann mit der roten Kappe, sich wieder
aufzurichten.
„Heute back
ich, morgen brau ich, übermorgen mach ich der Königin ein Kind. Ach wie gut,
daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß.“, brüstete sich Adrian mit
seiner Männlichkeit.
Ludmila
lachend: „Ja, ja, da bist du nun stolz darauf!“
Sie nahm die
Pille, und an ein weiteres Kind mit ihr war nicht zu denken. Als in der
nächsten Minute der Federball, halb absichtlich, in halber Entfernung zwischen
ihnen niederfiel, bewegten sich beide auf die Stelle zu. Anstatt sich zu
bücken, begannen sie sich zu küssen und strebten wieder ins Häuschen und aufs
Bett, naschten aber beide vorher noch einmal von den Pralinen.
Da sie ihre
Autos noch in gegensätzlicher Richtung erreichen mußten, solange die Drosseln
noch sangen, war es nach einer erneuten Ruhepause höchste Zeit zum Aufbruch. Es
war für beide ein unvergeßlicher Tag gewesen, einmal nur füreinander da zu
sein, ohne Hast und ohne äußeren Druck.